Dass das Leben mit einem Hund, der unerwünschtes Verhalten zeigt, nicht leicht ist, kann ich gut nachvollziehen, teile ich doch selbst meinen Alltag mit einer ganz und gar nicht einfachen Hündin. Auf dieser Seite möchte ich meine bisherigen Erfolge - und manchmal auch Misserfolge - im Training mit meiner Hündin Luzi mit Ihnen teilen und all jenen, denen es ähnlich geht, Mut machen. Es ist durchaus möglich, mit viel Geduld und Zeit an einem schwierigen Verhalten zu arbeiten und dem Hund zu zeigen, dass es auch anders geht. Man muss nur unter Umständen einige Monate oder auch - wie in diesem Fall - Jahre investieren. Dafür ist es dann umso schöner, wenn sich erste Erfolge abzeichnen und man merkt, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat.

Ein Rückblick: Luzi zieht bei uns ein

 

Im Sommer 2008 machte ich mich auf die Suche nach einem Zweithund zu meiner sehr freundlichen, sorgfältig sozialisierten, ruhigen und gut erzogenen Australian Shepherd Hündin Peppi. Ich hatte genaue Vorstellungen: Mein Zweithund sollte schon erwachsen und stubenrein sein und ein paar Stunden alleine bleiben können, da ich in Teilzeit berufstätig war. Er musste nicht perfekt erzogen sein, denn ich suchte schon nach einer kleinen Herausforderung, aber für einen Welpen hatte ich definitiv nicht genug Zeit, und so kam der Wurf Aussie-Welpen, der Ende Juli bei unseren Freunden zur Welt kam, für mich auch gar nicht in Betracht. Aber es kommt ja immer anders, als man denkt.

Vier der acht Welpen gingen wie geplant mit acht Wochen zu ihren neuen Besitzern, die restlichen vier fanden aber einfach keine passenden Interessenten. Wir fuhren in Urlaub, wir kamen wieder, die vier Welpen waren immer noch nicht verkauft, und sie wurden immer älter und älter. Wir kamen nun alle paar Wochen mal zu Besuch. In ihrem heimischen Rudel, in dem sie sich sicher fühlte, war Luzi die Kontaktfreudigste und Schmusebedürftigste von allen, sie kroch jedem Besucher gleich auf den Schoß und war auch von unserer Peppi hellauf begeistert. Wir verliebten uns immer mehr in die Kleine, und so beschlossen wir im Dezember 2008, sie zu uns zu nehmen. Ich überlegte sogar, ob ich sie für den Besuchshundedienst ausbilden könnte, wie ich es auch schon mit Peppi gemacht hatte. Wir waren naiv und hatten keine Ahnung, was uns noch erwarten würde.

 

Probleme lassen nicht auf sich warten

 

Als Luzi (abgeleitet von Luzifer, was - mit einem Augenzwinkern gesehen - durchaus seine Berechtigung hat) im Alter von fast fünf Monaten bei uns einzog, wohnten wir noch mitten in Kiel und waren gerade dabei, unseren Umzug in unsere neue Wohnung, die etwas außerhalb der Stadt lag, zu organisieren. Luzi musste also erstmal vom platten Land mitten in die Stadt. Da sie sich in ihrem Zuhause so zutraulich gezeigt hatte und auch schon ein paar Stadtausflüge nach Rendsburg gemacht hatte, dachten wir nicht, dass das ein Problem sei - Luzi lehrte uns eines Besseren: Vom ersten Tag an versuchte sie bellend und knurrend alles zu vertreiben, was ihr Angst machte, und das waren vor allem fremde Menschen und fremde Hunde. Für sie war es eine komplett andere Welt als ihr gewohntes Zuhause, und sie kam mit der Umstellung überhaupt nicht zurecht. Ich war schockiert, ich hatte nicht mit so vehementen Attacken und so tief sitzender Scheu gerechnet, da sie sich vorher in keinster Weise so gezeigt hatte. Meinen Traum vom Besuchshundedienst konnte ich mir also erstmal abschminken.

 

Wenn fremde Menschen an uns vorbeigingen, ohne uns zu beachten, dann war das Luzi zwar unheimlich, aber sie fühlte sich dadurch zumindest nicht bedroht. Aber wenn Menschen sie direkt ansprachen, was oft vorkam, da sie ja noch so klein und niedlich war, kam das für Luzi einem Angriff gleich, und sie ging sofort wild bellend in die Defensive. Sie zeigte niemals offensive Aggression, aber sie schien zu glauben, dass sie sich gegen alles und jeden verteidigen müsste. Je beengter die Situation war und je weniger Fluchtmöglichkeiten sie hatte, desto stärker war ihre Reaktion. Ich merkte schon: Hier wartete ein hartes Stück Arbeit auf mich.

Besonders schlimm waren für sie die großen, in der Stadt überall frei laufenden Hunde, die trotz der Rufe ihrer Besitzer nicht gehorchten und unaufhaltsam näher kamen, und die die völlig verängstigte junge Luzi beschnupperten und bedrängten. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so große Hunde gesehen. Sie geriet in Panik, und ich konnte ihr nicht helfen, weil sich die aufdringlichen Hunde nicht verscheuchen ließen. Luzi merkte, dass ich mich über die verantwortungslosen Hundebesitzer ärgerte, aber meine Aufregung steigerte nur ihre Angst. Es war ein Desaster! Ich wundere mich nicht, dass sie noch heute mit solchen Situationen besondere Probleme hat.

 

Luzi klebte in den ersten Wochen regelrecht an meinen Beinen - nicht weil sie etwa schon eine besondere Bindung zu mir aufgebaut hatte, sondern weil sie Angst davor hatte, in dieser furchterregenden Umgebung auf einmal alleine zu sein. Somit fiel es ihr auch anfangs schwer, das Alleinbleiben zu lernen, da war selbst Peppis Anwesenheit kein ausreichender Trost für sie.
Erschwerend kam hinzu, dass Luzi auch noch ein typischer junger Australian Shepherd war: Sie war sehr impulsiv, von null auf hundert in einer Zehntelsekunde, sie war sehr ungeduldig und hatte Probleme damit, frustrierende Situationen zu ertragen. Sobald sie sich aufregte, was quasi ständig der Fall war, fing sie an herumzuhopsen und schrill zu kläffen, was fürchterlich an meinen Nerven zerrte. Und eine gute Prise Territorialität bringt ein typischer Aussie natürlich auch noch mit.

Das größte Problem von allen war aber ihr tief sitzendes Misstrauen. Ich hatte den Eindruck, Luzi misstraute allem und jedem. Selbst bei Menschen, die sie gut kannte, fiel es ihr schwer, Vertrauen zu fassen. Manchmal wirkte sie wie ein kleiner Wildhund. Sie wurde nervös, wenn ich ihr in die Augen sah, und sie erschrak, wenn sie ohne Vorwarnung angefasst wurde. Ich selbst hatte erst nach eineinhalb Jahren das Gefühl, dass das Eis gebrochen war und sie mir nun endlich vertraute. Erst ab diesem Zeitpunkt hat auch das Training mit ihr die ersten wirklichen Erfolge gebracht.

 

Ein Genie auf vier Beinen

 

Natürlich hat Luzi auch viele nette Seiten: Sie ist zu Hause sehr schmusebedürftig und verspielt und im Haus angenehm ruhig. Sie lernt unwahrscheinlich schnell und merkt sich jede Erfahrung genau (aber leider prägen sich schlechte Erfahrungen bei ihr nachhaltiger ein als gute). Luzi ist auch überhaupt nicht geräuschempfindlich, weder Silvesterknaller noch der Staubsauger machen ihr etwas aus, vorbeifahrende LKW, Düsenjets oder die Sirenen am Samstagmittag lassen sie völlig kalt. Sie tobt und rennt leidenschaftlich gern, am liebsten hakenschlagend durchs Unterholz. Sie ist der erste Hund in unserem Haushalt, der mich über einen Spiegel beobachten kann, was ich absolut bemerkenswert finde. Wenn es ans Arbeiten geht, egal ob Such-Aufgaben, Tricks, Agility, eine Bleib-Übung oder das Wegräumen meiner Schuhe, sie ist immer mit Feuereifer dabei und merkt sich ihre Aufgaben auch über lange Zeit hinweg. Das Apportieren hat sie in zehn Minuten gelernt, und Tricks muss ich ihr nur einmal mit Peppi vorführen - Luzi begreift alleine durchs Zuschauen, worum es geht, und macht es nach, als ob das das Einfachste der Welt wäre. Daher denke ich, dass sie im Prinzip alles lernen kann, wie schwer es auch ist, wenn man nur weiß, wie man es ihr vermitteln muss.

Das Training beginnt

 

Ein Hund wie Luzi benötigt vor allem einen Menschen, der ruhig und ausgeglichen reagiert, der schwierige Situationen vorhersieht und der sofort handelt, bevor der Hund auch nur daran denkt, selbst etwas zu tun. Da Luzi wie die meisten Aussies sehr impulsiv und extrem schnell in ihren Reaktionen ist, gilt es hier, noch schneller zu sein. Man muss mit einem solchen Hund auf jedem Spaziergang hundertprozentig wach sein und die Umgebung im Auge behalten. Einen sich nähernden Menschen oder Hund muss man als Erster erkennen und Luzi körpersprachlich zeigen, dass man die Situation im Griff hat, sich also zwischen ihr und dem Entgegenkommenden bewegen und auch je nach Situation flexibel und schnell reagieren.

Rückschläge muss man einkalkulieren, denn jeder Mensch hat mal einen schlechten Tag, auch ich bin manchmal müde und unausgeglichen, und eine kleine Unachtsamkeit meinerseits macht sich sofort in Luzis Verhalten bemerkbar. Sie sieht, dass ich nicht hundertprozentig da bin, und sofort fällt sie in ihr altes Verhaltensmuster zurück. Das ist dann mein Fehler.

 

Dezember 2008: Oberste Priorität hat für mich Luzis Verhalten gegenüber fremden Menschen. Es ist nicht akzeptabel, dass sie Menschen anbellt, die sie anschauen oder ansprechen. Mit allen anderen Problemen kann ich leben, aber das geht gar nicht, daher arbeiten wir von Anfang an ganz besonders daran. - Wenn mir Menschen entgegenkommen, schiebe ich Luzi immer hinter mich, sodass kein direkter Blickkontakt zu den Menschen entsteht und sie sich beschützt fühlt. In der Bewegung klappt das gut. Wenn uns aber Menschen auf der Straße ansprechen, dann erträgt sie das noch nicht und fängt wieder an zu bellen. Da Luzi auch zu mir noch kein wirkliches Vertrauen gefasst hat, ist es nicht leicht für mich, ihr Sicherheit zu geben. Jeden Tag versuche ich daher auch, ihr durch Ruhe und Entspannung zu Hause zu vermitteln, dass es ihr bei mir gut geht. - Die typischen Junghundprobleme, die die meisten Hunde in ihrem Alter zeigen, kommen natürlich noch hinzu, zum Beispiel plündert Luzi den Sack mit Trockenfutter, wenn wir die Küchentür auflassen, holt sich Essen vom Tisch, zerfleddert ihr Hundebett, Herrchens Wanderschuhe, eine Fußmatte, unseren Teppich usw. Das ist aber nicht schlimm, weil dieses Verhalten durch Erziehung einfach zu beeinflussen ist, und Luzi lernt extrem schnell. Weitaus größere Sorgen macht mir ihre scheue, defensive Art, denn hier geht es nicht nur darum, Regeln aufzustellen, sondern hier geht es darum, Emotionen zu verändern. Eine schwierige und langwierige Aufgabe.

Januar 2009: Seit dem Jahr 2005 bin ich zweimal im Monat als Lektorin im Kieler Magazin Verlag tätig. Die ruhige und freundliche Peppi war dort immer ein gern gesehener Gast. Luzi hingegen sah es gleich bei ihrem ersten Besuch im Verlag als ihre Aufgabe an, mein Büro gegen jeden, der auch nur im Flur vorbeiging, lautstark zu verteidigen. Wenn ich das verhindern wollte, musste ich ständig auf sie aufpassen und konnte mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren. Daher kaufe ich mir im Januar eine portable Transportbox für Luzi. Sie ist es bereits gewöhnt, bei uns zu Hause in einer offenen Box zu schlafen und liebt diese Höhle als Rückzugsort. Daher akzeptiert sie die Tatsache, dass sie von nun an bei unseren Besuchen im Verlag die Zeit in der Box verbringen muss, bereitwillig. Auch für sie ist es offenbar eine Erleichterung, nicht mehr ständig aufpassen und uns gegen die "Eindringlinge" verteidigen zu müssen. Wenn sich allerdings jemand herunterbeugt und in die Box schaut oder gar Luzi anspricht, dann knurrt sie, weil sie sich in die Ecke gedrängt fühlt. Ich achte daher darauf, dass die Box rundum geschlossen ist und niemand außer mir direkt hineinschauen kann.

 

Februar 2009: Luzi macht ihrem Namen alle Ehre und etabliert sich in unserer neuen Nachbarschaft als "Schrecken der Straße". Vor allem Hunde, die es wagen, rund um unser Haus aufzutauchen, werden gnadenlos angekläfft. Zu Luzis Unsicherheit allen Fremden gegenüber kommt in der Nähe unseres Hauses noch das rassetypische Territorialverhalten hinzu, sodass sie hier noch heftiger reagiert als an einem neutralen Ort. Da Luzi und Peppi mittlerweile ein eingespieltes Team sind, fängt nun leider auch unsere sonst so verträgliche Peppi an mitzustänkern, obwohl sie offensichtlich gar nicht weiß, wieso. Die typische Gruppendynamik, die wir ja auch von uns Menschen kennen, macht sich bemerkbar. Ich überlege, wie ich dieser unschönen Situation am besten Herr werde. - Bei unserer abendlichen Gassirunde kommt uns im Dunkeln eine Familie entgegen. Der Mann trägt eine Laterne, und ein kleines Kind sitzt auf seinen Schultern. Luzi hat eine so seltsame Zusammenstellung noch nie gesehen, sie findet die Gruppe extrem beängstigend und bellt wie wild. Dass der Mann uns daraufhin auch noch böse anpampt, steigert Luzis Ängstlichkeit und Nervosität noch mehr. Ganz schön frustrierend.

 

März 2009: Auf dem Nachhauseweg vom Spaziergang sitzt ein kleiner Junge auf einer Mauer und lässt die Beine baumeln. Als ich mit den Hunden fast an ihm vorbei bin, springt er auf einmal von der Mauer herunter auf die Straße. Luzi erschrickt dermaßen, dass sie mir bei dem Versuch, vor dem Jungen zu fliehen, mit voller Wucht in die Beine rennt und mir regelrecht den Boden unter den Füßen weghaut. Ich lande schmerzhaft auf dem Asphalt und fluche natürlich erstmal lautstark vor mich hin - ich weiß, das ist ein großer Fehler, denn mein Gefluche verbindet Luzi natürlich mit dem Jungen, der ihrer Ansicht nach für die ganze Situation verantwortlich ist, aber ich bin nunmal auch nur ein Mensch, und ich war in dem Moment einfach stinksauer und nicht in der Lage, meinen Hund zu beruhigen, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre. Nun ja, dies kann ich wohl unter der Liste der Rückschläge verbuchen. Luzi beobachtet kleine Jungen in Zukunft noch misstrauischer als andere fremde Menschen.

April 2009: Jedes Mal, wenn wir aus dem Auto aussteigen, regt sich Luzi so über die Maßen auf, dass sie bis auf Schulterhöhe an mir hochspringt, mir in die Jacke kneift und schrill kläfft. Wir üben also in den nächsten Monaten jeden Tag das ruhige Aussteigen aus dem Auto. Durchatmen, Geduld, Ruhe und starke Nerven sind gefragt. - Luzi ist jetzt zum ersten Mal läufig. Die ersten Läufigkeiten sind wichtige Abschnitte für eine heranwachsende Hündin. Ich hoffe sehr, dass sie danach ein wenig ruhiger wird und sich selbst besser in den Griff bekommt. Zusätzlich üben wir weiter in verschiedenen Situationen Impulskontrolle und Frustrationstoleranz, was ihr aber nach wie vor unheimlich schwer fällt.

 

Mai 2009: Viel ruhiger ist mein Hibbel-Hund nach der ersten Läufigkeit noch nicht geworden, schade. Wir arbeiten weiter an ihrer Selbstkontrolle, machen ruhige Such- und Bleib-Übungen, arbeiten im Garten am Slalom und vermeiden alles, was Unruhe erzeugt. Wilde Ball- oder Frisbeespiele wären kontraproduktiv für sie. - Peppi hat Luzi vor kurzem beigebracht, dass es Spaß bringt, Wild aufzuscheuchen und ein Stückchen hinterherzulaufen. Na super, das hätte es jetzt wirklich nicht auch noch gebraucht ...

 

Juni bis August 2009: Ich habe mich entschlossen, zumindest die kleinen Gassigänge nur noch mit jedem Hund einzeln durchzuführen, auch wenn es viel Zeit kostet, das ist die einzige Möglichkeit, eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Peppi soll sich Luzis Gezicke nicht abgucken und weiterhin freundliche Begegnungen mit anderen Hunden erleben. Und mit Luzi kann ich auch nur dann vernünftig an ihrem Verhalten arbeiten, wenn ich mit ihr alleine unterwegs bin und mich ganz auf sie konzentrieren kann. Aus Zeitgründen schaffe ich es leider nicht, auch unseren großen Spaziergang einzeln durchzuführen, da muss ich weiterhin beide zusammen mitnehmen, Konflikte mit anderen Hunden sind daher leider nicht immer vermeidbar.

 

September 2009: Wir waren das erste Mal mit beiden Hunden im Urlaub. Luzi hat sich dort eigentlich sehr gut benommen. Nur die Tatsache, dass die Vermieter unserer Ferienwohnung einen Hund hatten, der uns ab und zu im Hausflur begegnete, war ein wenig anstrengend. Schließlich waren die anderen Feriengäste verständlicherweise nicht begeistert, wenn abends um 22 Uhr auf einmal im Hausflur wildes Gekläffe begann. Im Zimmer waren unsere beiden Hunde aber gewohnt ruhig und gaben keinen Mucks von sich, auch nicht wenn sie den anderen Hund an der Zimmertür vorbeilaufen hörten. Im nächsten Urlaub werde ich darauf achten, dass ich ein einzelnes Ferienhaus oder eine Wohnung mit separatem Eingang finde.

 

Oktober 2009: Immer noch vertraut mir Luzi nicht hundertprozentig. Ich versuche, mit ihr Blickkontakt zu üben, um Begegnungen mit fremden Hunden und Menschen besser in den Griff zu bekommen, aber sie erträgt es nicht, mir in die Augen zu sehen. Sie windet sich und zeigt deutlich, wie bedrohlich sie den Blickkontakt zu mir findet. Schwierige Situationen versucht sie nach wie vor selbst zu regeln, und wenn Peppi sich von ihrer Stimmung anstecken lässt und sie zu zweit einen Hund anpöbeln, dann kann ich nichts weiter tun, als die Leinen festzuhalten, denn zu zweit haben sie ordentlich Kraft.

 

November bis Dezember 2009: Luzi ist zum zweiten Mal läufig, ich hoffe weiterhin auf eine Beruhigung durch die Hormonumstellung nach der Läufigkeit. Wenn ich sehr vorausschauend handele, bellt sie fremde Menschen jetzt kaum noch an. Ich muss aber vor allem in sehr engen Situationen (Türen, Fahrstuhl, Hausflur) weiterhin gut aufpassen und schnell sein, Luzi gegebenenfalls einen Ball oder ein Leckerli ins Maul schieben, damit sie den Stress abbauen kann und ihn nicht doch wieder durch Gebell herauslässt. Mittlerweile klappt es in engen Situationen gut, wenn Luzi nicht von den Menschen angeschaut oder gar angesprochen wird, aber das ist natürlich nicht immer machbar.

Januar 2010: Luzis extreme Art und die anstrengende Arbeit mit ihr bringen mich immer noch regelmäßig an meine Grenzen. Hinzu kommt, dass ich momentan nicht so belastbar bin wie sonst, weil unsere Golden Retriever Hündin Paula kurz vor Silvester eingeschläfert werden musste und mich dieses traurige Ereignis viel Kraft kostet. Luzi fordert aber nach wie vor mein vorausschauendes Handeln, meine schnelle Reaktionsfähigkeit und meine ganze Aufmerksamkeit. Das Leben mit ihr ist unglaublich anstrengend. Manchmal wünsche ich mir die harmonische, ruhige Zeit alleine mit Peppi zurück, aber das ist ungerecht Luzi gegenüber. Sie kann nichts dafür, dass sie so ist wie sie ist.

 

Februar 2010: Luzi schafft es jetzt, sich beim Aussteigen aus dem Auto zu beherrschen und nicht gleich wieder in ihr hysterisches Gehopse und Gekläffe zu verfallen. Das heißt nicht, dass sie innerlich ruhig wäre. Ausgeglichenheit und Entspannung gibt es bei Luzi nur zu Hause - wenn wir unterwegs sind, ist sie immer aufgeregt. Sie entwickelt aber inzwischen immer mehr Selbstbeherrschung. Nur wenn besonders spannende Termine anstehen, zum Beispiel einer unserer Aussiespaziergänge, dann ist die Aufregung zu groß und sie hibbelt wieder herum, aber das ist auch verständlich. Irgendwann werden wir auch das im Griff haben.

 

März und April 2010: Luzi hat ihre Schwäche für kleine Hunde entdeckt. Vor allem Rauhhaardackel, Jack Russell Terrier und kleine Mischlinge haben es ihr angetan, und wenn es dann auch noch Rüden sind, dann kennt ihre Begeisterung keine Grenzen. Und auch mit den Faltengesichtern (Mops und Französische Bulldogge) kommt sie inzwischen gut zurecht. Luzi fängt schon an zu fiepen, wenn sie die Kurzbeinigen von weitem sieht, und hopst begeistert um sie herum, das ist richtig niedlich. Ihre Nackenhaare sind auch hierbei oft aufgestellt, wie immer bei Hundebegegnungen, aber das kommt in dem Fall nur von der großen Aufregung. Selbst als Luzi angeleint mit mir unterwegs war und auf einmal ein kleiner Hund auftauchte, lief die Begegnung erstaunlich freundlich ab. Bei so einem engen Zusammentreffen muss sie den Hund aber ganz besonders sympathisch finden, nicht jeder kleine Hund würde hierbei so gut wegkommen. Und rund um unser Haus herum werden von ihr weiterhin nur ganz wenige Hunde geduldet.

 

Mai 2010: Auf den täglichen Hundespaziergängen hat Luzi sich mittlerweile auch mit ein paar größeren Artgenossen angefreundet, die sie bis vor kurzem noch vehement angezickt hatte. Die Besitzer waren entspannt genug, um immer wieder Begegnungen zwischen den Hunden zuzulassen und auch mal ein Stückchen mit uns zusammen spazieren zu gehen (an dieser Stelle vielen Dank an euch!), und nach einiger Zeit war das Eis gebrochen. Luzi hat hier sogar ein paar Hundefreunde gefunden, mit denen sie spielt, was bei ihr wirklich einer Sensation gleichkommt, denn normalerweise spielt sie mit keinem Hund außer Peppi! Aber wie Luzi nun einmal so ist, diese positiven Erfahrungen werden von ihr keineswegs auf andere Hunde übertragen. Fremde größere Hunde werden von ihr nach wie vor mit ernormem Misstrauen behandelt.

Juni 2010: Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich sehe, wie intelligent und scharfsinnig Luzi ist. Ich habe mehrere hauptsächlich selbstgebastelte oder von Herrchen gebaute Intelligenzspiele für meine Hunde, bei denen es in der Regel darum geht, über verschiedene Lösungsmöglichkeiten an ein paar Leckerlis heranzukommen. Peppi stürzt sich immer darauf und probiert wild alle Lösungsmöglichkeiten durch, die irgendwann einmal Erfolg gebracht hatten - das kann mal durch Zufall ganz schnell gehen, das nächste Mal dafür aber wieder länger dauern, weil sie dabei einfach keinen Plan hat. Luzi dagegen geht strategisch vor: Zuerst erschnüffelt sie, wo sich überhaupt die Leckerlis befinden. Danach überlegt sie sich ganz offensichtlich, wie sie am schnellsten an ihr Ziel kommt, und dann - zack, zack, zack - schon ist sie fertig. Das ist absolut faszinierend und eine wirklich tolle Leistung für einen Hund.

 

Juli bis August 2010: Wir haben jetzt einen Schafzaun um den Garten gespannt, und die Hunde dürfen ohne Leine im Garten laufen. Da sie nun weiter nach vorne kommen,fangen sie natürlich an zu bellen, wenn Hunde auf der Straße vorbeilaufen. Peppi alleine bellt nicht, aber sobald Luzi dabei ist, hat Peppi die größte Klappe von beiden, wieder mal die altbekannte Gruppendynamik. Da mich dieses Verhalten sehr stört, mache ich es mir zur Gewohnheit, denjenigen, der im Garten bellt, sofort ins Haus zu schicken. Er muss dann eine Weile drinnen bleiben und sich von dort aus ansehen, wie viel Spaß der andere draußen hat. Bei Luzi zeigt dieses Vorgehen sehr schnell Wirkung, sie lernt unheimlich schnell und begreift Zusammenhänge im Nu. Peppi braucht für so etwas immer etwas länger. Ab und zu lässt auch Luzi sich noch zum Bellen hinreißen, aber ich sehe, wie sich rasche Erfolge einstellen. Nach Luzis dritter Läufigkeit habe ich nun auch das Gefühl, dass sie tatsächlich in manchen Situationen ein bisschen beherrschter und entspannter wird. Sie ist jetzt zwei Jahre alt und als typischer Aussie damit noch längst nicht erwachsen, aber so langsam bemerke ich doch eine positive Entwicklung.

 

Rückblick auf unser Hütetraining, August 2010:

 

Anfang 2009 habe ich Luzis Ausbildung als Koppelgebrauchshund angefangen. Mit sechs Monaten war sie das erste Mal an den Schafen, noch sehr vorsichtig und scheu. Bei ihrem zweiten Versuch im Alter von fast acht Monaten war sie schon viel mutiger. Im April und Oktober 2009 habe ich mit ihr Hüteseminare besucht. - Die verschiedenen Methoden der Ausbilder haben mich sehr nachdenklich gemacht. Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob das Hütetraining gut für Luzi ist. Ich habe eher das Gefühl, dass dieses ihre allgemeine Unsicherheit und ihre Neigung zum extremen Hochfahren und Explodieren noch vestärkt. Um dem entgegenzuwirken versuchte ich ab Januar 2010, Luzi in Anwesenheit der Schafe einfach nur zu beruhigen und zu entspannen. Es ging mir weniger um das Hüten, sondern erstmal darum, dass sie sich dabei nicht mehr so maßlos aufregt. Leider hatten wir sowohl 2009 als auch 2010 immer nur alle zwei Monate Zeit, um an den Schafen zu üben. Ein Training mit so großen Abständen ist nicht zielführend, man hat das Gefühl, immer wieder von vorne zu beginnen und das Training an demselben Punkt zu beenden, an dem man schon das letzte Mal aufgehört hatte. Fortschritte gibt es kaum. Aus diesen Gründen habe ich im Sommer 2010 beschlossen, mit dem Hüten aufzuhören. Ich habe meinen Schwerpunkt mehr auf das Alltagstraining mit ihr verlegt, das mir auch um einiges wichtiger war. - Rückblickend hätte ich diese Entscheidung schon viel früher treffen müssen; das Hüten hat sowohl Luzi als auch ihrer Beziehung zu mir in unserem ersten gemeinsamen Jahr vermutlich mehr geschadet als ich damals erkennen konnte.

 

September 2010: Ein Durchbruch! Luzi kann mir erstmals ruhig und ohne Anzeichen von Nervosität auf mein Zeichen hin längere Zeit in die Augen sehen! Und nicht nur das, auch ihr gesamtes Verhalten mir gegenüber ist viel vertrauensvoller geworden. Sie richtet sich mehr nach mir als vorher, und in schwierigen Situationen sieht sie mich manchmal fragend an und wartet auf meine Entscheidung, anstatt sofort selbst loszustürmen. Es ist großartig, mein Hund vertraut mir! Endlich habe ich diese schwere Hürde überwunden! Ab jetzt kann das Training wirklich losgehen!

 

Oktober 2010: Bei unseren Besuchen im Kieler Magazin Verlag ist Luzi nun immer ruhiger und gelassener. Mittlerweile hat sie kein Problem mehr damit, wenn andere in ihre Box hineinschauen oder sich sogar danebenhocken und sie ansprechen. Sie zeigt sich dann zwar immer noch nicht kontaktfreudig, aber sie knurrt auch nicht mehr, sondern schaut sich das Ganze recht entspannt an. Ich beginne langsam, die Box nicht mehr zu allen Seiten abzuschirmen, sondern die Seitenverkleidungen zu öffnen, damit Luzi hinausschauen kann. Es stört sie nicht, dass die vorbeigehenden Leute sie dann auch sehen. Und auch im Fahrstuhl und in engen Durchgängen muss ich nicht mehr ganz so sehr auf sie aufpassen. Solange niemand sie direkt anspricht (alle Mitarbeiter des Verlags wissen, dass das keine gute Idee ist), bleibt sie ruhig hinter mir, aber sie ist sichtlich froh, wenn sie sich wieder in ihre Box verkriechen kann, wo sie "sicher" ist. Im Vergleich zu Peppi, die sich fröhlich bei allen ihre Streicheleinheiten abholt, ist das zwar immer noch ein Unterschied wie Tag und Nacht, aber immerhin, ich freue mich über unsere kleinen Erfolge!

November 2010: Luzi ist läufig, und wir machen eine Pause im Hundebegegnungstraining. Wir gehen jetzt auf  Wegen spazieren, auf denen uns nur selten Hunde entgegenkommen. - Begegnungen mit fremden Menschen verlaufen immer problemloser. Wenn ich Luzi an der Leine habe, und auf der Straße spricht mich jemand an, dann bleibt sie ruhig neben mir stehen. Sogar wenn die Leute sie im Gespräch direkt anschauen, wird sie nicht mehr nervös. Nur wenn sie so weit gehen, dass sie ihr die Hand hinhalten, dann fühlt sich Luzi bedroht. Aber statt bellend nach vorne zu gehen, wird sie nun in solchen Momenten eher hibbelig und springt an mir hoch und verleiht damit ihrer allgemeinen Aufregung Ausdruck. Ich beruhige sie und vergrößere den Abstand zu den Leuten so weit, dass es für Luzi in Ordnung ist. Im Vergleich zu dem Verhalten, das sie vor knapp zwei Jahren an den Tag legte, ist das ein riesiger Erfolg. Das Leben mit Luzi fängt an richtig Spaß zu machen!

 

Dezember 2010: Bisher hatte ich immer ein besonderes Auge auf Luzi, wenn mein kleiner Neffe, mittlerweile sechs Jahre alt, anwesend war. Sie kennt ihn zwar, aber Kinder sind ihr wegen ihres unberechenbaren Verhaltens noch viel unheimlicher als Erwachsene. Daher hatte ich zu Weihnachten auch die Transportbox mitgebracht. Als dann alle Geschenke ausgepackt waren, habe ich Luzi aus der Box gelassen und konnte mit Freude beobachten, dass sie seelenruhig neben meinem Neffen auf dem Boden lag, während wir gemeinsam seine Lego-Eisenbahn zusammenbauten. Ich bin stolz auf Luzis Fortschritte und die innere Gelassenheit, die sie in den letzten Monaten in vielen für sie an sich schwierigen Situationen gezeigt hat.

 

Januar 2011: Wir üben nun verstärkt Hundebegegnungen an der Leine. Ich achte darauf, dass wir ausreichend Abstand zu dem anderen Hund haben, und ich belohne Luzi für ruhiges Verhalten. Wenn Luzi nicht bellt, dann regt sich auch Peppi nicht auf. Das Training klappt von Mal zu Mal immer besser. Schwierig ist es nur dann, wenn wir keine Möglichkeit haben, Abstand zu dem anderen Hund zu wahren. Wenn er sehr dicht an uns vorbeigeht, fühlt Luzi sich bedrängt und verfällt wieder in ihr altes Verhalten. Aber im Großen und Ganzen machen wir gute Fortschritte.  

 

Februar 2011: Ein Durchbruch! Heute kam uns auf dem Spaziergang eine Golden Retriever Hündin entgegen, die von Luzi bisher immer angezickt worden war. Alle Hunde liefen frei, und ich nahm ein paar Leckerlis aus der Tasche, um die verfressene Peppi damit an meiner Seite zu halten, da ich meine Hunde nach Möglichkeit niemals zu zweit auf einen einzelnen Hund zulaufen lasse. Wenn Luzi erstmal alleine - ohne Rückendeckung durch Peppi - auf den anderen Hund zugeht, dann ist ihr Verhalten auch wesentlich weniger heftig, weil sie im Grunde doch ein großer Angsthase ist und immer nur so tut, als sei sie die Queen of Flintbek. Ich dachte also, Luzi würde ihr altbekanntes Schema abspielen, erstmal mit gesträubten Nackenhaaren und wild knurrend auf den anderen Hund zulaufen, damit der möglichst schon im Vorfeld die Flucht ergreift und nicht merkt, dass Luzi selbst vor Angst die Hosen voll hat. Aber - weit gefehlt! Luzi lief ein paar Schritte auf den anderen Hund zu, überlegte es sich dann offensichtlich anders, kam zu mir zurück (ohne dass ich etwas gesagt hätte) und wollte definitiv lieber ein Leckerli haben als den Hund anzupöbeln. Sie ging haargenau nach dem Muster vor, das wir immer bei Hundebegegnungen an der Leine üben, nur hatte dies im Freilauf bisher noch nie geklappt. Ich war völlig verblüfft und lobte meinen tollen Hund natürlich in den Himmel! Was war das fantastisch, ich konnte es kaum fassen! - Am nächsten Tag trafen wir diese Hündin wieder, und erneut entschied sich Luzi dafür, lieber das Leckerli zu nehmen und den Hund dafür in Ruhe zu lassen. Toll, ich platze fast vor Stolz!  

März 2011: Im Kieler Magazin Verlag muss ich jetzt nicht mehr sonderlich auf Luzi aufpassen, mittlerweile kennt sie die Leute, die da herumlaufen, und hat auch keine Angst mehr, wenn sie mal direkt angesprochen wird. Sie lässt sich sogar von einigen ausgewählten Personen gerne streicheln. Der Verlag befindet sich allerdings im 4. Stock, und ich muss mit den Hunden durch mehrere Türen hindurch und dann entweder Treppen laufen oder Fahrstuhl fahren, und unterwegs begegnen uns auch immer wieder fremde Menschen. Dieses Treppenhaus war anfangs eine sehr große Herausforderung für Luzi, mittlerweile hat sie sich aber auch daran gewöhnt. In diesem Monat gab es allerdings zwei Situationen, bei denen ich nicht gedacht hätte, dass sie sie so toll meistert: Am Monatsanfang (mein Lektoratstag für die Kielside) stand jemand Unbekanntes vor dem Fahrstuhl, als wir vom Gassigehen im Hiroshimapark zurückkamen. Noch vor einem Jahr hätte ich mich nicht getraut, mit Luzi gemeinsam mit diesem Fremden in den Fahrstuhl zu gehen, aber da sie sich in letzter Zeit so gut gemacht hatte, habe ich es riskiert. Ich setzte Luzi in eine Ecke und stellte mich halb vor sie, um ihr Sicherheit zu geben. Und dann ging der Trubel los: Der Fahrstuhl hielt im ersten Stock, eine zweite Person kam herein, wurde aus dem Büro nochmal gerufen, rief lautstark zurück, lief dann nochmal schnell ins Büro, um etwas zu holen, kam ebenso schnell gemeinsam mit noch einer Person wieder in den Fahrstuhl zurückgesprungen, drei wildfremde Menschen, schnelle Bewegungen, laute Geräusche - für Luzi wäre das alles vor einem Jahr noch ein Horrorszenario gewesen. Aber sie blieb ruhig, schaute sich ein wenig skeptisch das Ganze an, gab aber keinen Mucks von sich. Ich erkannte meinen Hund kaum wieder, für sie war das eine unglaubliche Leistung! - Am Monatsende (mein Lektoratstag für die diva) gab es erneut eine schwierige Situation. Wieder kamen wir vom Gassigang zurück, da öffnete uns eine fremde Dame die Tür, um uns hindurchzulassen. Als die Hunde gerade mitten in der Tür und ganz dicht neben ihr waren, beugte sie sich ein wenig hinunter und sagte "Na, ihr beiden".  Mir rutschte das Herz in die Hose, denn genau diese Situation war für Luzi früher eine eindeutige Bedrohung, auf die sie ausnahmslos immer abging wie eine Rakete. Aber nichts passierte. Luzi lief zügig an der Dame vorbei und ließ nicht das leisteste Knurren hören. Ich atmete auf und war gleichzeitig unheimlich stolz auf meinen Hund. Wenn das jetzt schon so toll klappt, dann kriegen wir mit viel Geduld bestimmt auch alle anderen Probleme noch in den Griff. 

 

April 2011: Wir hatten wieder einen kleinen Rückschlag, was Hundebegegnungen an der Leine betrifft. Luzi war morgens an der Ecke unserer Straße (also eindeutig mitten in ihrem Revier) am Schnuppern, und ich hörte, dass sich Schritte näherten. Ich konnte nicht sehen, wer da kam, aber aus irgendeinem Gund war ich davon überzeugt, dass kein Hund dabei war und ich Luzi daher ruhig noch weiterschnuppern lassen konnte. Auf einmal standen eine Frau, ein Kind und ein Pudel vor mir, und Luzi ging natürlich ab wie eine Furie, weil die da auf einmal in ihrer Straße auftauchten und dann auch noch direkt vor ihr. Da wir uns an einer Kreuzung befanden, wusste ich nicht, wohin die drei wollten und konnte ihnen daher auch nicht vernünftig ausweichen. Ich fürchte Luzi hat vor allem dem Kind einen gehörigen Schrecken eingejagt. Ich war sauer - vor allem auf mich selbst, weil ich nicht vorausschauend genug gehandelt hatte. Ich hätte nachsehen müssen, wer sich da nähert, und dann im Vorfeld so weit ausweichen, dass Luzi die Konfrontation mit dem Hund erträgt, denn vor allem wenn wir uns so eindeutig in ihrem Revier befinden, dann braucht sie viel mehr Abstand zu anderen Hunden als auf neutralem Gelände. Sie ist ein sehr territorial denkender Hund, und das wird sich vermutlich auch nie ändern. Es liegt an mir, richtig damit umzugehen. - Es gibt aber auch viel Positives zu berichten: Im Garten bellt Luzi keine Hunde mehr an, die am Grundstück vorbeilaufen! Sogar wenn die anderen Hund bellen, wedelt sie zwar aufgeregt, gibt aber keinen Ton von sich. Nur Peppi wufft ab und zu nochmal, hört aber schnell auf, da Luzi nicht mehr mitmacht. Und - sensationell! - die Hunde sind jetzt sogar abrufbar, wenn sie außerhalb des Gartenzauns ihren Lieblingsfeind, den Nachbarskater, entdeckt haben, der sich mal wieder einen Spaß daraus macht, betont langsam vorbeizustolzieren.

 

Mai 2011: Luzis Bruder Tayler hat letzten Monat eine sehr anspruchsvolle Begleithundeprüfung bestanden, bei der auch fremde Menschen an den abgelegten Hunden vorbeiliefen, stehenblieben und sich zu ihnen hinunterbeugten. Tayler hat ungefähr dieselben Probleme mit fremden Menschen wie Luzi, daher war es für ihn eine enorme Leistung, das zu ertragen. Seine Besitzerin hatte sehr lange mit ihm für diese Prüfung geübt und meinte dann zu mir: "Es ist schon komisch, dass wir uns so darüber freuen, wenn unsere Hunde niemanden anknurren, und für andere Hundebesitzer ist das ganz selbstverständlich." Ja, sie hat recht, man bekommt mit so einem Hund eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Ich bin so froh, dass Luzi und ich diese schlimme Zeit hinter uns gelassen haben. Nur wenn Luzi sehr aufgeregt ist, kann es in seltenen Fällen nochmal vorkommen, dass sie auf Ansprache eines Menschen mit Knurren reagiert, das aber eher beiläufig und lange nicht mehr mit der Vehemenz, die sie zu Anfang gezeigt hat. Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis sie auch das ganz abgelegt hat. Von Fremden anfassen lässt sie sich immer noch nicht, aber das wäre auch zu viel erwartet. Vielleicht irgendwann, mit der Zeit ... - Ich bin momentan viel auf mir bisher unbekannten Wegen in den Wäldern rund um Kiel unterwegs, weil ich nach geeigneten Strecken für unsere Hundewanderungen suche. Wenn wir hier andere Hunde treffen, die natürlich angeleint sind, genau wie meine eigenen Hunde, dann ist Luzi erstaunlich entspannt. Hier hat sie keine Revieransprüche anzumelden, hier kennt sie sich nicht aus, und daher ist sie viel weniger zickig, als ich das sonst so von ihr kenne. Da sie gerade mal wieder läufig ist, muss unser sonstiges Hundebegegnungstraining erstmal Pause machen. Aber wir werden natürlich weiter daran arbeiten. - Am 16.05. läuft morgens während unserer Gassirunde ein Feldhase ziellos im Ort von einem Grundstück zum nächsten, wieder auf die Straße und zurück über die Grundstücke. Offenbar hat er sich verlaufen. Luzi, mit der ich zuerst draußen bin, verfällt in ihr hysterisches Kreisch-Kläffen, das sie immer zeigt, wenn sie ein Jagdobjekt sieht und an der Leine festgehalten wird. Morgens um acht mitten im Wohngebiet ist dieses Gekreische ganz schön peinlich. Ich tue erstmal mein Möglichstes, um sie schnell zu beruhigen. Auch als ich danach mit Peppi draußen bin, läuft uns der Hase über den Weg. Peppi ist auch sehr aufgeregt, lässt ihre Aufmerksamkeit mit Leckerlis aber schnell wieder auf mich lenken. Ich hoffe, dass den Hasen dieser Ausflug in den Ort nicht sein Leben kostet.

Juni 2011: Während ich mir seit einigen Wochen viele Sorgen um Peppi mache, die wegen einer Gebärmutterentzündung operiert werden musste und sich nicht so gut von der OP erholt, wie ich gehofft hatte, macht Luzi mir in dieser Zeit nur Freude. Sie ist seit zwei Wochen spürbar gelassener in vielen Situationen und einfacher zu lenken als bisher. In der Kieler Innenstadt lief sie Ende Mai so locker durch die Straßen, als täte sie das jeden Tag, und Hundebegegnungen an der Leine laufen immer problemloser ab. Ihre zappelige Art zeigt sie nur noch selten, und das, obwohl sie durch Peppis Krankheit momentan wirklich ein bissschen zu kurz kommt. Sie ist sogar erstmalig ein paar Stunden ganz alleine zu Hause geblieben, während ich mit Peppi beim Tierarzt war, und auch das hat wunderbar geklappt. Ich bin stolz auf die Kleine! - Ende Juni hat sich Peppi endlich vollständig von der Operation erholt. Ihr geht es wieder richtig gut, und sie ist viel fröhlicher und verspielter als in den letzten Monaten. Luzi hat unseren Besuch in der Kieler Innenstadt während des Kieler-Woche-Trubels wunderbar gemeistert, und auch eine enge Fahrstuhlsituation mit zwei fremden Männern, die sie sogar direkt ansprachen, hat sie ruhig und ohne einen Ton von sich zu geben erduldet. In Situationen, in denen sie unsicher ist, hat sie es sich jetzt zur Angewohnheit gemacht, öfter zu mir hochzuschauen und nach Bestätigung zu suchen. Das macht es mir sehr leicht, ihr durch kleine Signale zu verstehen zu geben, was ich von ihr erwarte. Die Kommunikation zwischen uns klappt nun auch in ungewohnten und schwierigen Situationen immer besser.

 

Juli 2011: Unser gesamter Alltag klappt immer besser. Wenn wir auf neutralem Gelände, auf das Luzi keinen Territorialanspruch erhebt, auf fremde Hunde treffen, laufen die Begegnungen immer problemloser ab. Sowohl mit als auch ohne Leine kommt Luzi mit fast allen anderen Hunden gut klar, und wenn sie doch mal provoziert oder meint, Angriff sei die beste Verteidigung, dann lässt sie sich jetzt auch sehr gut von mir ausbremsen. Rund um unser Haus läuft es noch nicht ganz so entspannt, aber da ich Luzi dort immer an der Leine habe, kann ich sie meist etwas abseits absetzen, damit die anderen Hunde unbehelligt vorbeilaufen können. So ist das nun einmal, wenn man sich eine Hunderasse aussucht, die für ihr Territorialverhalten bekannt ist. Dann muss man auch damit klarkommen, wenn der Hund dieses Verhalten zeigt. Mit unseren Fortschritten bin ich sehr zufrieden.

 

August 2011: Luzis Verhalten schwankt in diesem Monat auffallend. Mal ist sie gut drauf und friedlich, dann wieder besonders kratzbürstig gegenüber fremden Hunden und fühlt sich auch von Menschen wieder schneller bedroht, ohne dass ich einen eindeutigen äußeren Grund dafür erkennen kann. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass ihr die Analbeutel zu schaffen machen. Da wir sowieso demnächst zum Impfen müssen, werde ich meinen Tierarzt auf jeden Fall bitten, dies zu kontrollieren. Das wäre eine sehr einfache Erklärung für ihr Verhalten, denn das kennen wir ja von uns selbst: Wenn es uns nicht gut geht, sind wir auch schneller gereizt und weniger tolerant als sonst. Vielleicht findet sich hier des Rätsels Lösung.

 

September 2011: Unsere Lu hat ihren jährlichen Impftermin gut überstanden. Außer der Impfung gab es in den fast drei Jahren, die sie nun bei uns lebt, noch nie einen nennenswerten Grund, den Tierarzt aufzusuchen, sie war bisher immer gesund und topfit, abgesehen von kleineren Pfotenverletzungen, die sie sich bei ihrer wilden Rennerei hin und wieder zuzieht. - Unser aktuelles Aussietreffen fand diesmal im Wildpark statt. Luzi, die sehr auf die Einhaltung ihrer Individualdistanz besteht, teilte zwar jedem Hund, der ihr in dieser Situation (an der Leine) zu nahe kam, deutlich mit, dass sie von der Idee nichts hielt, war aber sonst friedlich und mit Begeisterung bei der Sache. Als wir anschließend zusammensaßen und ein paar Pommes aßen, lag sie ruhig neben mir und ließ Kinder und Hunde dicht an sich vorbeilaufen, ohne auch nur die geringste Unsicherheit zu zeigen. - Mitte September waren wir im Urlaub. Hier zeigte Luzi sich von ihrer besten Seite und ließ sich nach der Fütterung einiger Leckerlis sogar von unseren Ferienhaus-Vermietern streicheln! Auf allen Wanderungen war sie begeistert dabei, und auch unseren Ausflug in die Großstadt Dresden und unsere Pausen in diversen Restaurants machte sie wunderbar mit.

Oktober 2011: Der Oktober ist ein Auf und Ab, da Luzis Hormone kurz vor der Läufigkeit mal wieder ihr Verhalten stark beeinflussen. Mal läuft alles super, und sie ist freundlich zu Mensch und Tier, und dann zickt sie wieder alles um sich herum an. Zwei Tage lang war es so extrem, dass sie sogar vor mir und Peppi Angst hatte. Unglaublich, was Hormonschwankungen mit einem Hund so alles anstellen. Naja, wir Frauen kennen das ja manchmal auch... Jetzt, Ende Oktober, ist Luzi läufig, und ihr Verhalten hat sich wieder stabilisiert. Nur stellt sie nun auf dem Spaziergang ihre Ohren gerne mal auf Durchzug, wenn sie gerade "wichtige" Pinkelstellen anderer Hunde erschnuppert. Das kenne ich aber schon von ihr, das wird sich nächsten Monat von selbst wieder geben.

 

November 2011: Ende dieses Monats hat sich Luzis Hormonhaushalt wieder normalisiert. Sie achtet auf den Spaziergängen wieder mehr auf mich, und daher kann die Schleppleine jetzt zu Hause bleiben. Für ihre Verhältnisse macht sie einen recht ausgeglichenen Eindruck, ist verspielt und gut gelaunt. So macht der Alltag mit ihr und Peppi richtig Spaß.

 

Dezember 2011: Luzi ist weiterhin für ihre Verhältnisse sehr entspannt und lieb. Im Dezember waren wir zu einer Familienfeier eingeladen, bei der es sehr voll und eng war, und einige der Anwesenden hatte Luzi noch nie zuvor gesehen. Trotzdem ließ sie sich von allen streicheln und verhielt sich vorbildlich. Wenn mein Neffe ihr zu dicht auf die Pelle rückte, wich sie ihm selbstständig aus, anstatt die Konfrontation zu suchen, was ich natürlich mit einem besonderen Lob würdigte. Genau dieses Verhalten möchte ich gerne sehen. Abgesehen davon, dass sie manche Hunde immer noch nicht mag - was ich aber auch in Ordnung finde, schließlich mag ich auch nicht jeden Menschen - ist Luzi zu einem wundervollen Begleiter geworden. Natürlich muss ich bei ihr aufmerksamer sein und schneller reagieren als bei einem gut sozialisierten Hund, aber wenn ich ihr heutiges Verhalten mit dem vor drei Jahren vergleiche, ist es kaum zu glauben, dass es sich um denselben Hund handelt. 

 

Januar 2012: Unseren Umzug haben beide Hunde gut überstanden. Man sieht, dass sie sich wohl fühlen und es ihnen hier auf dem Dorf sehr gut gefällt. Luzi hat sogar schon zwei Freunde gefunden: Zwei kleine Rüden hier aus dem Dorf haben es ihr angetan - vor allem ein kleiner Mischling aus Spanien, der schräg gegenüber wohnt, hat ihr Herz im Sturm erobert. Wenn sie ihn nur von weitem sieht, fängt sie schon an zu fiepen. Bei großen Hunden ist sie wie immer gewohnt misstrauisch und signalisiert Verteidigungsbereitschaft, Begegnungen an der Leine klappen aber recht gut. Obwohl wir neben der Haustür ein Fenster haben, durch das die Hunde heraussehen können, sind sie im Haus weiterhin angenehm ruhig und bellen selbst dann nicht, wenn der Nachbarshund draußen herumläuft. Ich bin sehr zufrieden mit den beiden.

Februar 2012: Anfang Februar ist bei uns nun doch noch der Winter eingekehrt. Eis und Schnee machen einerseits den Autofahrern das Leben schwer, verwandeln andererseits aber auch die Landschaft hier draußen in ein regelrechtes Winterwunderland. Die Hunde finden es toll und toben über die Felder. Leider sind die Stoppeln auf den abgeerneten Maisfeldern durch die Kälte messerscharf, so dass sich Luzi den Ballen einer Hinterpfote aufgeschnitten hat. Da Luzi die Verletzung kaum stört, würde sie sich von selbst auch nicht schonen. Das bedeutet nun leider eine Zeitlang Spaziergänge an der Leine und einen nervigen Hundeschuh am Fuß. Ich merke, wie sich Tag für Tag mehr Energie in dem kleinen Powerpaket ansammelt. - Mitte Februar ist die Verletzung endlich so weit geheilt, dass Luzi wieder ohne Leine laufen kann. Der Schnee ist inzwischen geschmolzen, und ich stelle fest, dass der Schuh dem knietiefen Matsch auf den Feldern nicht gewachsen ist. Wenn wir nach Hause kommen, hat Luzi einen einzigen Schlammklumpen am Fuß. Naja, es scheint ihr nichts auszumachen. - Luzi musste nun zum ersten Mal in ihrem bereits dreieinhalbjährigen Leben unter die Dusche! Bisher war das nie nötig gewesen, aber nun hatte sie sich auf einem frisch gedüngten Feld gewälzt, und das überstieg dann doch meine Toleranzgrenze. Es war nicht leicht sie zu überreden, mit mir in die Duschkabine zu kommen, das war ihr sichtlich unheimlich. Das Abduschen ließ sie dann aber brav über sich ergehen - zwar sehr unentspannt, aber immerhin ohne großes Gezappel. Das hat sie wirklich toll gemacht.

 

März 2012: In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass Luzi auf ihr unbekannte Frauen, mit denen ich mich unterhalte - zum Beispiel andere Hundebesitzerinnen oder unsere Nachbarinnen - ganz ruhig und freundlich zugeht und sich von ihnen sogar streicheln lässt! Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen, ich bin wirklich verblüfft. Natürlich ist es situationsabhänig. Kommt zum Beispiel auf einer menschleeren Straße jemand schnell auf uns zugelaufen, egal ob Mann oder Frau, dann versetzt das Luzi erstmal in Alarmbereitschaft. Aber dass sie in entspannten Situationen hingeht und sich sogar anfassen lässt, das finde ich schon phänomenal, ich hätte nie gedacht, dass sie einmal so zutraulich wird. Männer sind ihr weiterhin noch eher suspekt und sie hält mehr Abstand, aber neulich hat sie sogar von unserem Tierarzt nach der Untersuchung noch ein Leckerli angenommen. So langsam, mit der Zeit, wird ihr Misstrauen gegenüber den Menschen immer geringer. Wer weiß, wenn wir ihr noch ein paar Jahre Zeit geben, vielleicht wäre sie dann sogar so weit, dass sie freiwillig mit einem Fremden mitgeht? Naja, ich will mal nicht zu hoch pokern...

April 2012: Nach wie vor ist Luzi am Strand erstaunlich umgänglich und verträgt sich mit allen Hunden, auch mit solchen, mit denen sie normalerweise extreme Schwierigkeiten hat (distanzlose Retriever z.B. oder sehr große Hunde). Als Welpe hat Luzi im Verband mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern an zwei Aussietreffen am Strand teilgenommen. Hier fanden ihre einzigen positiven Erlebnisse mit großen Hunden anderer Rassen in der so wichtigen Welpenzeit statt. Leider hat sie diese Erfahrungen sehr ortsbezogen gespeichert und ist nicht in der Lage, sie auf Hundebegegnungen in anderer Umgebung zu übertragen. Ich beobachte hier das gleiche Prinzip wie bei ihrer anfänglichen Reaktion auf fremde Menschen: Im Haus ihrer Züchter war Luzi der anschmiegsamste Welpe, der bei jedem auf den Schoß kroch. Hier hatte sie gute Erfahrungen mit Fremden gemacht - aber auch nur hier. Sobald man das Haus verließ, war Luzis Verhalten komplett umgedreht, als wäre sie auf einmal ein anderer Hund. Man sieht hier sehr deutlich, wie wichtig in der Sozialisationsphase und auch bei allen anderen Dingen, die der Hund lernen soll, der Umgebungswechsel ist. Hunde lernen extrem ortsbezogen. Wenn ein Hund an einem bestimmten Ort ein Verhalten sicher zeigt, dann heißt das noch lange nicht, dass er es an einem anderen Ort ebenso zeigen kann. Die Umgebung wird in jeden Lernvorgang mit einbezogen. Wenn ein Verhalten sehr oft ausgeführt wird, wird es aber auch gefestigt. Daher wäre es trotz der Ortsbezogenheit empfehlenswert, mit Luzi so oft wie möglich zum Strand zu fahren und dafür zu sorgen, dass sie positiv gestaltete Begegnungen mit anderen Hunden erfährt, damit sie so oft wie möglich ein freundliches Sozialverhalten ihnen gegenüber übt. Leider ist mir das sowohl zeitlich als auch finanziell nur hin und wieder am Wochenende möglich, immerhin sind es zum nächstgelegenen Strand hin und zurück doch 80 km Strecke, das geht nunmal nicht jeden Tag. Wenn ich es jedoch schaffe, dann ist es jedes Mal wieder ein toller Anblick zu sehen, dass Luzi durchaus auch mit ihren sonst typischen "Feindbildern" freundlich und zurückhaltend umgehen kann - wenn die Umgebung stimmt.

 

Mai 2012: Ich bin begeistert, wie gut Luzi inzwischen Begegnungen mit völlig fremden Menschen meistert, wie freundlich und deeskalierend sie agiert und wie sicher sie schon geworden ist. Wenn ich nicht wüsste, wie sie sich noch vor drei Jahren Fremden gegenüber verhalten hat, würde ich fast sagen, das ist doch ein ganz normaler, freundlicher Hund, warum also die Aufregung? Ich bin so glücklich, dass wir dieses Thema immer mehr abhaken und hinter uns lassen können. Mit manchen Hunden dagegen kommt sie nach wie vor nicht so gut zurecht, aber das Praxisseminar bei Maria Hense am 12. Mai hat mir gezeigt, dass ich auf einem guten Weg bin. Alle Maßnahmen, die dort besprochen und empfohlen wurden, übe ich bereits seit Jahren mit Luzi - mal mehr und mal weniger erfolgreich. Insgesamt haben wir aber schon Fortschritte gemacht, und man muss eben bedenken, dass solche Übungen bei Luzi aufgrund ihrer extremen Reaktionen und ihrer Explosivität einfach mehr Zeit in Anspruch nehmen als es bei einem Hund der Fall wäre, der normal auf Außenreize und Stress reagiert. Sie ist in Situationen, in denen sie sich aufregt, einfach oft nicht in der Lage, sich zu beherrschen. Sie explodiert dann von einer Sekunde auf die andere, und wenn ich es nicht schaffe, sie vor diesem Moment auf mich zu konzentrieren, dann komme ich nicht mehr an sie heran. Aber das ist für mich kein Grund aufzugeben. Die Situationen, in denen Luzi sich so extrem aufregt, sind im Laufe der Jahre schon weniger geworden, und nun arbeiten wir weiter daran, sie irgendwann ganz verschwinden zu lassen. Ich weiß, wir haben noch einen langen Weg vor uns. Aber wenn ich mir überlege, was für ein toller Hund aus diesem anfänglichen Nervenbündel schon geworden ist, dann denke ich, diesen kleinen Rest werden wir in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch hinkriegen.

 

Juni 2012: Der Juni beschert mir zwei entspannte, gut gelaunte Vierbeiner, die sich in schwierigen Situationen ganz auf mich verlassen und mit mir gemeinsam die Zeit genießen. Ich bin momentan selbst sehr gelassen und zufrieden, und ich sehe, wie sich meine ruhige Stimmung im Verhalten meiner Hunde widerspiegelt. Aber es ist noch mehr als das: Ich merke, wie Luzi mir jetzt vertraut und dass sie langsam auch in der Lage ist, auch tagsüber einfach mal in ihre Box zu gehen und eine Runde zu schlafen, anstatt mir ständig hinterherzudackeln. Sie hat häufiger als früher Tiefschlafphasen, und ich sehe das alles als ein gutes Zeichen, dass sie endlich ihre innere Ruhe und Zufriedenheit findet. Irgendwer hat mal gesagt, ein Hund und sein Besitzer brauchen vier Jahre, bis sie wirklich zu einem Team geworden sind, und da ist etwas Wahres dran. Luzi wird nächsten Monat ihren vierten Geburtstag feiern, sie ist jetzt auf den Tag genau dreieinhalb Jahre bei uns. Und ich glaube, sie ist jetzt auch wirklich angekommen.

 

Juli 2012: Peppi genießt im Juli für ein paar Tage Urlaub mit Vollpension bei meiner Familie. Diese Zeit, in der ich mit Luzi alleine bin, nutze ich für tägliche intensive Trainingseinheiten. Ich versuche, jeden Tag eine Begegnung mit Katzen hier bei uns im Dorf zu absolvieren, was nicht schwer ist, da es hier scheinbar Hunderte von Katzen gibt. Luzi soll sich in diesen Situationen vor allem in Selbstbeherrschung üben. Ich arbeite mit ihr so, dass sie ansprechbar bleibt und in der Lage ist, trotz des Anblicks der Katze einfache Übungen wie Sitz auszuführen. Ihr intuitiv gezeigtes Gekreische und Gebell bekomme ich so ganz gut unter Kontrolle. Es ist auf jeden Fall enorm hilfreich, dass ich mit Luzi alleine üben kann, ohne mich zusätzlich um Peppi kümmern zu müssen. Es klappt alles viel besser, wenn man sich ganz auf einen Hund konzentrieren kann. Die gleichen Übungen zur Impulskontrolle wiederhole ich mit ihr, wenn uns Wild über den Weg läuft. Weiterhin versuche ich, jeden Tag mindestens einem Hund zu begegnen und auch da an Luzis Verhalten zu arbeiten. Hier zeigt sich wieder einmal, dass sie hauptsächlich in der Umgebung unseres Hauses so extrem ausflippt. In Gegenden, auf die sie keine Besitzansprüche erhebt, reagiert sie recht gelassen auf andere Hunde, es sei denn, diese werden aufdringlich. Ob sich nun ein Verhalten anderen Hunden gegenüber, das auf dem Territorialverhalten basiert und somit aus Hundesicht absolut logisch ist, komplett abstellen lässt, ist fraglich. Aber ich denke, ich habe mit Luzi schon so viel erreicht. Wenn nun noch ihre Impulskontrolle gestärkt wird und sie es lernt, sich mehr und mehr auch in sehr aufregenden Situationen zu beherrschen, dann wird auch irgendwann der Punkt kommen, an dem ich nicht noch mehr von ihr erwarten kann. Ich denke, ich sollte zufrieden damit sein, aus diesem Nervenbündel schon so einen tollen Hund gemacht zu haben.

August 2012: Wenn Luzi ein Mensch wäre, dann würde ich sagen, sie ist ein typischer Pessimist. Alles Neue wird von ihr misstrauisch beäugt, und wenn ihr eine Sache unheimlich ist, dann ist es wahnsinnig schwer, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Wir können fünfzehn problemlose Hundebegegnungen haben - wenn uns dann wieder ein einziger freilaufender und nicht gehorchender "Dertutnix" begegnet, den ich nicht verscheuchen kann, weil ich mich voll auf meine beiden Hunde konzentrieren muss, dann ist es, als wolle sie mir sagen: "Siehst du, ich wusste es doch! Andere Hunde sind gefährlich, und du kannst mir auch nicht helfen!" Und wieder fangen wir mit dem Training bei Null an. Schlechte Erfahrungen prägen sich bei Luzi dreimal so tief ein als gute. Gegen diesen Charakterzug kann ich nicht viel tun, außer ihr immer wieder soziale Unterstützung zu geben und ihr Vertrauen in mich zu stärken. In vielen Alltagssituationen kommen wir auf diese Weise schon sehr gut zurecht, und sie richtet sich dann ganz nach mir. Doch es bedeutet Arbeit, vermutlich ein ganzes Hundeleben lang.

 

September 2012: Ende letzten Monats bestellte ich für Luzi im Internet eine Bachblütenmischung, die speziell für sie zusammengestellt wurde. Ich wollte die Blüten unterstützend zum Training von Impulskontrolle und Frustationstoleranz in allen aufregenden Situationen, in denen Luzi nach wie vor wie eine Rakete in die Luft geht, einsetzen. Eine Wirkung machte sich schon am zweiten Tag bemerkbar: Es wurde schlimmer, und zwar deutlich, unser Training war wieder auf dem Stand, auf dem wir vor zwei Jahren waren. Ich wollte noch abwarten, ob es sich um eine Erstverschlimmerung handelt, die es in seltenen Fällen auch bei Bachblüten geben soll, aber nach fünf Tagen mit einem völlig durchgedrehten Hund setzte ich die Blüten ab. Zumindest sind wir seitdem wieder zu unserem Normalzustand zurückgekehrt. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass ich das Experiment für gescheitert erkläre. Ich denke nur, dass es einfach nicht die richtige Mischung für Luzi war und dass man wohl besser direkt zu jemandem gehen sollte, der sich mit sowas auskennt, anstatt irgendwo im Internet etwas zu bestellen. Nach einiger Recherche glaube ich auch schon die Blüte gefunden zu haben, die unserem kleinen "Fräulein Ungeduld" wie auf den Leib geschneidert ist: Impatiens. Ich werde zu dieser Erkenntnis, zu der ich als Laie gefunden habe, demnächst jemanden befragen, der sich wirklich damit auskennt. Ich bin sehr gespannt, ob ich richtig liege.

 

Oktober 2012: Am 1. Oktober ließ ich mir in der Apotheke eine neue Bachblütenmischung mit drei Komponenten zusammenstellen. Die Mischung wurde auf Wasserbasis erstellt, und in den ersten drei Tagen hatte ich den Eindruck, dass sie fantastisch wirkt. Luzi war wesentlich entspannter und gelassener als sonst. Danach klang die Wirkung aber schnell wieder ab. Man hatte mir auch gesagt, dass die Mischung auf Wasserbasis nur kurze Zeit haltbar ist. Da ich nicht alle zwei Tage in die Apoteke gehen wollte, ließ ich die Mischung erneut herstellen, diesmal auf Obstessig-Basis (wohl die einzige haltbare Alternative zum Alkohol). Damit blieb der gewünschte Erfolg aber leider aus. Nun weiß ich nicht, ob die Mischung anders war oder ob es am Essig lag, oder ob einfach der Zeitpunkt für so einen Test ungünstig gewählt war, denn ein paar Tage später wurde Luzi läufig. Kurz vor und während der Läufigkeit verhält sie sich immer anders als sonst. Daher habe ich beschlossen, das Experiment jetzt für zwei Monate auf Eis zu legen, bis bei Luzi die Hormone wieder in den Normalzustand zurückgekehrt sind. Dann versuche ich es erneut, vielleicht auch nur mit zwei Komponenten.

 

November 2012: Normale, alltägliche Dinge laufen momentan absolut problemlos. Luzi läuft an lockerer Leine und gibt sich entspannt. Man könnte fast denken, sie sei ein ganz normaler Hund. Kaum passiert allerdings etwas Ungewöhnliches (zum Beispiel wenn wir an einem unbekannten Ort aus dem Auto steigen oder uns eine Katze über den Weg läuft, oder auch wenn wir einfach nur mit anderen Leuten zusammen spazierengehen), zeigt sie immer noch ihren "ganz normalen Wahnsinn" durch wildes Herumspringen und Kreischbellen. Der Wechsel von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde in einer Zehntelsekunde ist für mich immer noch verblüffend, auch wenn ich das von ihr inzwischen gewohnt sein müsste. Nun ja, ich sehe es  positiv: Die normalen Dinge, die Luzi inzwischen nicht mehr aus der Ruhe bringen, werden im Laufe der Jahre immer mehr. Das heißt, im Großen und Ganzen wird sie schon ruhiger, weil es immer weniger Situationen gibt, die sie ausrasten lassen. Nur Geduld, wir haben Zeit.

Dezember 2012: Der Dezember gibt sich in diesem Jahr sehr winterlich, es liegt nun schon seit Wochen Schnee. Normalerweise fahre ich oft mit den Hunden zum Spaziergang an verschiedene Orte in der Umgebung, weil wir alle drei nur ungern ständig dieselben Runden laufen. Aber bei dem Schnee habe ich keine große Lust, mit dem Auto über nicht geräumte Feldwege zu fahren und womöglich steckenzubleiben, also gehen wir momentan immer von zu Hause aus los. Da zeigt sich nun wieder ganz deutlich, was ich schon immer wusste: Luzi zeigt ein starkes Territorialverhalten, und das wird sich vermutlich auch nie ändern. Mit menschlichen Besuchern bei uns zu Hause geht es inzwischen sehr gut mit ihr. Ich muss nur noch die erste Begegnung stark kontrollieren, und danach entspannt sich Luzi und lässt sich manchmal sogar streicheln (von Frauen eher als von Männern, Frauen sind weniger bedrohlich). Aber andere Hunde in ihrem Revier - das geht gar nicht! Es sei denn, es sind Freunde, die dürfen sich in Gehweite unseres Hauses aufhalten und sogar mit hineinkommen. Andere nicht. Und schon gar keine großen Hunde. Während ich Luzi in neutralem Gelände im Zweifelsfall auch problemlos frei auf einen anderen - auch einen größeren - Hund zulaufen lassen kann, ohne dass etwas passiert, lasse ich solche Experimente in ihrem Revier lieber sein, denn da versteht sie keinen Spaß. So ist das, wenn man sich eine Hunderasse aussucht, die so starkes Territorialverhalten zeigt. Da muss man mit gewissen Dingen einfach leben. Das geht aber auch ganz gut, man muss nur vorausschauend handeln. Wenn ich möchte, dass Luzi sich mit einem bestimmten Hund gut verträgt, dann gehe ich mit diesem Hund gemeinsam einfach mehrmals in neutralem Gebiet spazieren, bevor wir uns in Luzis Revier wagen. Wenn sie den Hund dann schon gut kennt und mag, ist alles viel entspannter. Hat sie ihn allerdings vorher schon einmal in der Nähe unseres Hauses gesehen, dann kann es sein, dass sie ihn bereits auf ihre Liste der unerwünschten Besucher gesetzt hat und sich dann auch nicht mehr an ihn gewöhnt. - Tja, niemand hat je behauptet, mit Luzi würde es einfach werden ...

 

Januar 2013: Die Silvesternacht stellte mal wieder kein Problem für Luzi dar - sie hat zwar viele "Baustellen", aber laute Geräusche beeindrucken sie nicht im Geringsten. Direkt nach der Knallerei wollte sie in den Garten und kam dann wieder fröhlich mit ihrem Teddy angerannt, als wäre gar nichts gewesen. - Anfang Januar habe ich mir für mein "Fräulein Ungeduld" die Bachblüte Impatiens als unverdünnte Essenz in der Apotheke besorgt und mische für Luzi jetzt alle paar Tage selbst neue Tropfen auf Wasserbasis an. Luzi kommt damit viel besser klar als mit der Mischung auf Essig-Basis (siehe Oktober), die wohl ziemlich eklig war. So leckt sie die Tropfen dreimal am Tag bereitwillig aus meiner Hand. Eine Wirkung hat sich noch nicht so recht eingestellt, aber ich werde das jetzt einfach mal eine Weile ausprobieren.

 

Februar 2013: Ich habe das Experiment mit den Bachblüten aufgegeben. Luzis ungebremstes und ungeduldiges Verhalten war im Januar während der Wochen, in denen sie die Bachblüten erhielt, eher schlimmer als zuvor, wobei ich natürlich nicht weiß, ob die Verschlechterung mit den Bachblüten zusammenhing oder damit, dass ich momentan vor lauter Arbeit kaum weiß, wo mir der Kopf steht. Meine drei Jobs werden mir langsam zu viel, und darunter leidet die sonst tägliche geistige Beschäftigung meiner Hunde, die die Australian Shepherds dringend brauchen, um zufrieden und ausgeglichen zu sein. Wenn man sich für eine Arbeitsrasse entscheidet, muss man auch damit umgehen können, dass die Hunde mehr brauchen als ein paar Gassirunden. Fehlt dann die Zeit, macht es sich schnell bemerkbar. Aber es kommen bald wieder entspanntere Monate auf uns zu. 

März 2013: Anfang März zeigt unser kleiner Teufel sich von seiner besten Seite: Nach der üblichen anfänglichen Aufregung läuft Luzi brav und ohne weiteres Herumgehopse an der Leine, und ich kann sie sogar wieder öfter frei laufen lassen, ohne dass sie gleich auf Spurensuche geht oder wie verrückt in der Gegend herumrennt. Sie macht insgesamt einen ausgeglicheneren Eindruck. Ich weiß, dass diese Phase schnell wieder vorbei sein kann, aber es ist momentan eine angenehme Zeit mit ihr, und ich genieße es, solange es anhält. - Ende März liegt immer noch Schnee, den ganzen Monat hatte das Winterwetter eisern angehalten. Dennoch geht sie nun, wie jedes Jahr, los: die Zeit der unvorsichtigen Hasen. Sie laufen nicht nur über die Felder, sondern sie hüpfen völlig unbekümmert auf den Feldwegen direkt auf uns zu oder hoppeln schnüffelnd direkt vor uns quer über den Weg. Es ist, als ob sie meinen Hunden zurufen: Los, fang mich! Eine harte Zeit, denn ich muss noch mehr als sonst auf den Spaziergängen aufpassen. Zum Glück ist es bei dem Dauerschnee zumindest den Katzen noch zu kalt draußen, so dass die uns nicht auch noch überall begegnen. Ich kann sie gut verstehen, auch ich habe die Nase voll von dem Wetter.

 

April 2013: Mitte April ist es endlich so weit, das erste Mal haben wir Temperaturen über zehn Grad, die Sonne scheint, und langsam schmilzen auch die letzten Schneehaufen dahin. Die Lämmer, die bereits während der verschneiten letzten Wochen geboren wurden, dürfen nun endlich draußen auf der Wiese spielen. Während Peppi mit ihrem dicken Fell schon wieder Probleme mit der Wärme bekommt, findet Luzi, die vor der Läufigkeit ihre ganze Unterwolle abgeworfen hat und nun aussieht wie ein kleiner Kurzhaar-Aussie, das Wetter toll. Die Mäuse kommen aus ihren Löchern, und ich muss sehr aufpassen, damit Luzi keine von ihnen erwischt. Dreimal war Luzi jetzt schon schneller als ich. Sie spuckt sie aber immer brav wieder aus, wenn ich es ihr sage, immerhin, so haben die Mäuse noch eine Chance. Aber auch das gehört natürlich bei einem Hund dazu, der so schnelle Reaktionen zeigt wie der Aussie: Er entdeckt seine Fähigkeiten und nutzt sie, einfach weil er es kann. Und der Besitzer muss dann lernen damit umzugehen, ob es ihm nun passt oder nicht.

 

Mai 2013: Luzi wird immer entspannter im Umgang mit fremden Menschen in und um unser Haus herum - und zwar nicht nur mit Frauen, sondern zunehmend auch mit Männern! Am letzten Mai-Wochenende hatten wir Besuch von ihr völlig unbekannten Menschen, und schon nach einem ersten vorsichtigen Schnuppern war Luzi die Ruhe selbst, legte sich hin und ließ sich von der Anwesenheit der beiden überhaupt nicht mehr stören. Ein Verhalten, das vor drei Jahren noch absolut undenkbar gewesen wäre! - Aber mein absolutes Highlight heute: Luzi ließ sich vom Paketboten streicheln!!!! Er stand vor der Tür, als wir vom Spaziergang nach Hause kamen, und da ich mein Paket haben wollte, kam ich nicht drum herum, mit beiden Hunden an der Leine auf ihn zuzugehen. Normalerweise für Luzi das Signal: Fremder Mensch steht vor unserem Haus, der hat da natürlich nichts zu suchen, wir gehen auf ihn zu, also wird er lautstark vertrieben! Ich war also sehr darauf bedacht, Luzi hinter mir zu halten. Die beiden waren aber so sehr aneinander interessiert, dass ich es vorsichtig zuließ, als sie ihn beschnuppern wollte, und - oh Wunder! - sie war freundlich zu ihm und ließ sich sogar anfassen! Der Hammer! Der gute Mann verstand überhaupt nicht, warum ich so aus dem Häuschen war. Wenn er wüsste, dass das eine absolute Premiere in Luzis Leben war ...! Einfach nur toll, ich bin so stolz auf meine Kleine!!

Juni 2013: Und die Erfolgsstory geht weiter - neulich trafen wir eine Nachbarin aus dem Dorf, die uns bisher nie begegnet war, und sie rief mir schon von Weitem zu: "So tolle Hunde, darf ich die mal streicheln?" Eine Frage, die mir vor ein paar Jahren noch kalte Schauer den Rücken hinaufgejagt hatte. Ich sagte etwas zögernd ja, aber bitte nur die Große. Ich hielt Luzi hinter mir, während Peppi schon nach vorne in die ausgestreckten Arme der Unbekannten drängte. Luzi dachte aber gar nicht daran, sich hinter mir zu verstecken, sondern zog neugierig und mit freundlichem Ausdruck ebenfalls zu unserer Nachbarin hin. Ich hielt sie nicht zurück, und sie ließ sich hingebungsvoll durchknuddeln. Absolut irre, war das wirklich mein Hund?? Vielleicht haben sie sie über Nacht ausgetauscht? Ich hätte niemals gedacht, dass wir je an diesen Punkt kommen würden, aber ich freue mich. Toll, dass sie so viel Vertrauen gewonnen hat.

 

Juli 2013: Momentan beginnen unsere Spaziergänge wieder regelmäßig mit aufgeregtem Gekläffe. Ein kleiner Rückschritt, der aber verständliche Gründe hat: Einerseits sind bei dem warmen, sonnigen Sommerwetter alle Dorfkatzen draußen, und uns begegnen ständig welche. Das heißt, Luzi geht schon mit einer aufgeregten Katzen-Erwartungshaltung los, und dementsprechend hibbelig ist sie dann auch, bis wir aus dem Dorf heraus sind und in die Felder kommen, hier beruhigt sie sich schnell und läuft dann ganz normal an der lockeren Leine. Hinzu kommt noch, dass wir aus Rücksicht auf die ältere Peppi bei der Hitze seit ein paar Wochen kürzere Spaziergänge machen. Da ist Luzi dann ein bisschen unausgelastet. Ich hoffe, das drückend heiße Wetter hält nicht mehr allzu lange an, denn es macht uns allen zu schaffen.

 

August 2013: Auch in diesem Monat ist nicht an Entspannung zu denken. Wir treffen bei uns im Dorf mindestens einmal täglich auf Katzen, und Luzis aufgeregte Erwartungshaltung bei jedem Spaziergang wird immer heftiger. Sie kläfft und rennt wie verrückt in die Leine und schaut unter jedes Auto und hinter jeden Busch, ob vielleicht eine der Katzen dort sitzt. Da Katzen für Luzi nun einmal der Aufreger Nummer eins sind, wird sich daran wohl nichts ändern, solange das Wetter so schön bleibt. Ich rechne damit, dass sie sich beruhigen wird, wenn es wieder längere Zeit regnet oder schneit und die Stubentiger alle das heimische Wohnzimmer vorziehen. Bis dahin muss ich Luzis Verhalten einfach akzeptieren, denn ich werde ihr sicher nicht beibringen können, dass Katzen die Aufregung nicht wert sind - das glaubt sie mir nie! Manche Dinge muss man halt so nehmen, wie sie sind.

 

Ende August 2013 war der Abgabetermin für mein neues Buch "Zappelhunde", in dem Luzi eine Hauptrolle spielt. Seitdem steht der Text des Buches fest und Aktualisierungen waren nicht mehr möglich. Hier werde ich hingegen weiter damit fortfahren, Luzis Geschichte zu erzählen. Wer mein Buch kennt und wissen möchte, wie es mit Luzi weitergeht, ist herzlich eingeladen, mein Leben mit ihr hier weiterzuverfolgen.

 

September 2013: Luzi hat ein neues Geschirr und eine 10-Meter-Biothane-Schleppleine bekommen. Damit kann sie jetzt sogar in Gegenden, in denen es viel Wild gibt, ein bisschen rennen und ihre Freiheit genießen. Ich bin von diesem relativ neuen Schleppleinenmaterial wirklich begeistert, denn ich fand es immer nervig, wenn sich die Leine bei Regenwetter vollgesogen hat und schwer und matschig wurde. Mit Schleppleine machen wir draußen auch wieder mehr Gehorsamsübungen, und auch das findet Luzi natürlich toll. Die Katzensaison ist aber noch nicht vorbei, daher ist Luzi bei uns im Dorf weiterhin extrem aufgeregt, und hinzu kommt noch, dass sie so kurz vor der Läufigkeit ganz eigene Empfindlichkeiten und Zicken-Allüren entwickelt. Naja, das kennen wir alles schon, spätestens in zwei Monaten wird sie wieder ein bisschen entspannter sein. 

 

Oktober 2013: Endlich ist es kühler geworden und uns laufen nicht mehr jeden Tag mehrere Katzen über den Weg. Das macht die Spaziergänge schon deutlich angenehmer, weil Luzi nicht mehr mit der typischen Katzen-Erwartungshaltung das Haus verlässt. Dafür treffen wir täglich auf Rehe, aber das sind tolle Übungssituationen für uns, denn die jungen Rehe haben dieses Jahr offenbar noch keine schlechten Erfahrungen mit Mensch und Tier gemacht, und sie laufen vor mir und den Hunden nicht weg, sondern bleiben neugierig stehen. Durch die Schleppleine gesichert, lernt Luzi so, dass die Rehe sich von ihr gar nicht scheuchen lassen, so laut sie sie auch anbellt, und kommt nach kurzer Zeit wieder zu mir zurück. Das hat schon so prima geklappt, dass Luzi manchmal auch ganz darauf verzichtet, zu den Rehen hinlaufen zu wollen. Die Schleppleine gibt ihr mehr Entscheidungsfreiheit, und das tut ihr gut, denn dadurch handelt sie weniger kopflos als sonst. Ich bin überrascht, dass sie überhaupt in der Lage ist, sich so weit zurückzunehmen. Vor einem Jahr wäre das noch nicht möglich gewesen, und bei einer Katze wäre es auch jetzt noch absolut utopisch. Schauen wir mal, wie sich das entwickelt.

November 2013: Der November ist wieder mal mein Entspannungsmonat. Denn Luzi ist mit der Läufigkeit durch! Die Zickenhormone haben sich wieder auf ein vernünftiges Maß eingependelt, sie ist wieder ansprechbar und für ihre Verhältnisse regelrecht ausgeglichen. An der Schleppleine haben wir es jetzt schon mehrfach geschafft, an kleinen Gruppen von Rehen vorbeizugehen, die nur etwa 100 Meter entfernt standen. Selbst als die sich bewegten, konnte Luzi sich beherrschen, das war richtig großartig! Ob das jetzt auch so bleibt? Na, ich freue mich mal lieber nicht zu früh. Aber ich genieße den Augenblick ...!

 

Dezember 2013: Luzi ist aktuell ein Traum von einem Hund! Wir machen nichts Ungewöhnliches, sondern lassen den Alltag ganz normal ablaufen, wie immer, und in diesen gewohnten Strukturen fühlt sie sich wohl und ist unglaublich entspannt. Es macht einfach nur Spaß mit ihr. Sie läuft ruhig an der Schleppleine, achtet viel auf mich und lässt sogar die Rehe links liegen, wenn sie dafür ein Leckerli bekommt. Man könnte fast meinen, sie sei ein ganz normaler Hund.

 

Januar 2014: Die Hormone haben sich Anfang Januar normalisiert, und wir leben mit unserem kleinen Monster wieder im "ganz normalen Wahnsinn". Bei einem Tierarztbesuch in der zweiten Januarwoche hat Luzi alles gegeben und die gesamte Praxis zusammengekreischt. Erschrockene Blicke aller Anwesenden inklusive. Beim Spaziergang am selben Tag - der in gewohnten Bahnen ablief, ohne dass etwas Ungewöhnliches passierte - verhielt sie sich dann wieder wie ein ganz gewöhnlicher Hund. Von der durchgeknallten Bestie, die sie morgens noch gespielt hatte, war nichts mehr zu bemerken. Die Tatsache, dass sie immer dann durchdreht, wenn etwas passiert, das nicht ihren Erwartungen entspricht, passt zu meiner Vermutung, dass ihr Gehirn mit Veränderungen nicht zurechtkommt. Dennoch machen wir jetzt noch einmal einen kompletten Gesundheitscheck. Sicher ist sicher.

 

Februar 2014: Wir befinden uns den gesamten Monat in der Testphase: Luzis Schilddrüsenwerte waren Anfang Januar im niedrigen Bereich, was allerdings alleine noch nicht viel aussagt. Denn da sie sich selbst immer wieder enorm stresst, kann auch dies dazu führen, dass die Werte niedrig ausfallen. Nichtsdestotrotz will ich es jetzt wissen. In enger Zusammenarbeit mit meinem Tierarzt haben wir im Januar mit einer geringen Dosis Forthyron begonnen und steigern uns jetzt langsam. Da es oft ein paar Wochen dauert, bis sich eine Wirkung zeigt, lassen wir uns Zeit. Bisher hat sich an Luzis Verhalten noch nichts geändert, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Wir werden das aber noch eine Weile beobachten. Wenn es nicht hilft, dann ist die Schilddrüse auch nicht an ihren Verhaltensauffälligkeiten beteiligt. Aber ich möchte das jetzt auf jeden Fall wirklich ausschließen, um mir nicht später vorwerfen zu müssen, etwas übersehen zu haben. Der alleinige Auslöser ist die Schilddrüse hingegen mit Sicherheit nicht, denn es ist sehr auffällig, dass Luzi speziell dann ausflippt, wenn eine Situation irgendwie neu oder anders ist als sonst. Das sind Anpassungsschwierigkeiten, die sicher mit ihrer Vorgeschichte zusammenhängen. Dennoch ist es ja so, dass sie in der Zeit nach der Läufigkeit hormonell bedingt immer ein bisschen sanfter ist als sonst und weniger "mit dem Kopf durch die Wand, ohne Rücksicht auf Verluste". Wenn wir so einen Zustand dauerhaft hinbekämen, dann könnte ich definitiv besser mit ihr arbeiten. Das wäre schon schön. Aber warten wir ab, was der März bringt.

 

März 2014: Mein Tierarzt und ich hatten nun im Laufe von zwei Monaten getestet, ob Luzis Verhalten sich bessert, wenn sie Schilddrüsenhormone erhält. Wir haben mit einer sehr geringen Dosis begonnen und langsam gesteigert. Ab Anfang März begann sich langsam abzuzeichnen, dass Luzis Verhaltensreaktionen heftiger und extremer werden. Ich war mir aber nicht ganz sicher, ob ich es mir nur einbilde, denn sie hat manchmal Phasen, in denen es besser oder schlechter läuft. Mitte März haben wir ein letztes Mal die Dosis gesteigert, und da war es dann deutlich, dass die Hormone ihr nicht gut tun, sondern sie noch extremer werden lassen. Wir haben nun die Dosis halbiert und werden bis Anfang April die Hormongaben nach und nach komplett abbauen. - Immerhin weiß ich jetzt, dass ich mit meiner Anfangsvermutung richtig lag und dass die Schilddrüse nicht für Luzis hysterisches Benehmen und ihre heftigen Reaktion verantwortlich ist. Das ist ein gutes Ergebnis. Zwar macht es den Alltag mit ihr nicht leichter, aber eine funktionierende Schilddrüse ist für Luzis Gesundheit auf jeden Fall ein Pluspunkt, und ich muss mir keine Vorwürfe machen, diesbezüglich nicht schnell genug mit einer Therapie begonnen zu haben.

April 2014: Luzi ist läufig, und die weiblichen Hormone machen sie wieder deutlich sanfter und umgänglicher. Die Zeit während und nach ihrer Läufigkeiten ist für mich immer wieder die reinste Erholung. Ich weiß, sie wird in ein paar Monaten wieder heftiger werden, aber davon lasse ich mir nicht den Augenblick verderben. Ich genieße es, momentan ein verschmustes kleines Mädchen an meiner Seite zu haben. Wenn sie ihre sanfte Seite zeigt, ist Luzi ein absoluter Traumhund. Sie hat so viel Potenzial. Ich bin gespannt, was die Zeit noch so mit sich bringt.

 

Mai 2014: Ein total entspannter Monat - die weiblichen Hormone tun weiter ihre Wirkung. Wenn ich Glück habe, ist Luzi noch bis Ende Juni so sanft, friedlich und freundlich wie jetzt. Das wäre toll, denn ich habe mich für Ende Juni mit ihr zu einem Seminar angemeldet, und ich hoffe, dass sie sich da nicht allzu sehr aufregt.

 

Juni 2014: Um die Monatsmitte herum merke ich, wie die positive Wirkung der Hormone langsam aber sicher nachlässt. Luzi wird wieder heftiger und will wieder mehr mit dem Kopf durch die Wand - im wahrsten Sinne des Wortes: Als ich ihr nicht schnell genug die Terrassentür öffne, haut sie wirklich mit dem Kopf gegen die Scheibe, als ob es dann schneller ginge. Die Anzeichen sind deutlich, ihre sanfte Art der letzten Wochen baut sich langsam ab. Es reicht nun wieder aus, auf dem Spaziergang einfach nur umzudrehen und den geplanten Weg nicht weiter zu verfolgen, um bei Luzi einen hysterischen Anfall zu verursachen. Naja, das überrascht uns nicht wirklich, so kennen wir unsere Kleine ja. - Am 15. Juni passierte dann der Luzi-Supergau: Ich war über Mittag (also über unsere normale Spaziergehzeit) unterwegs und kam erst am frühen Nachmittag zurück. Mein Mann war mit den Hunden alleine gewesen und hatte gerade beschlossen, mit ihnen rauszugehen. Als ich mit dem Auto ins Dorf fuhr, kamen die drei mir entgegen. Aufreger Nummer eins war für Luzi schon die Tatsache, dass der Spaziergang erst so spät begann, und Aufreger Nummer zwei war, dass nicht ich mit den Hunden rausging, sondern mein Mann. Das kommt fast nie vor, Luzi war durch diese beiden Veränderungen sowieso schon auf 180. Nun fuhr ich auch noch mit dem Auto an ihnen vorbei: Aufreger Nummer drei. Dann ging mein Mann nicht weiter, sondern stand unschlüssig herum und wartete darauf, dass ich das Auto parkte und zu ihnen aufholte. Das brachte Luzi nun dazu, komplett auszurasten. Sie kreischte herum und rannte wie wild in die Leine. Mein Mann ließ die Leine los, und ich musste zusehen, dass ich meinen völlig aufgelösten Hund wieder beruhigte. Wegen des heftigen Angriffs auf sein Trommelfell ging mein Mann dann mit unserem zweiten Hund schon mal los Richtung Felder. Das war für Luzi aber nun Aufreger Nummer fünf, denn darüber, dass die Familie nicht zusammenbleibt, kann sie sich ebenfalls maßlos ereifern. Ich hatte also keine Chance, sie zu beruhigen, und ging mit der herumkreischenden kleinen Furie an der Leine hinterher. Ich hoffe, dass niemand im Dorf zu der Zeit ein Schläfchen halten wollte, denn nach diesem Geschrei war sicher jeder Anwohner wach. Erst als wir gemeinsam aus dem Ort herauskamen, beruhigte Luzi sich wieder und war dann auch sichtlich fertig von der ganzen Aufregung.

 

Juli 2014: Am letzten Juni-Wochenende nahm ich Luzi das erste Mal mit auf eine Fortbildung. Das Thema war Tellington Touch - eine Methode, die unter anderem die Möglichkeit bietet, Hunde durch bestimmte, gezielte Berührungen zu beruhigen. Da Luzi ein absoluter Kuschel-Fanatiker ist und sich durch ruhige Berührungen immer gut herunterfahren lässt, dachte ich mir schon, dass das genau das Richtige für sie wäre. Ich hatte nur ein wenig Angst davor, dass die fremde Umgebung, die anderen Menschen und Hunde sie so stark aufregen würden, dass sie uns allen mit ihrem Geschrei Trommelfellschäden verursachen könnte. Dank der wunderbaren Organisation gab es aber auf dem gesamten Wochenende immer nur kurze aufregende Momente und danach wieder ganz viel Ruhe und Abstand zu den anderen Teilnehmern, so dass ich die Möglichkeit hatte, Luzis Erregungslevel immer wieder herunterzufahren. Sollten wir irgendwo hingehen, war sie trotzdem am Schreien und Herumspringen, wie ich es von ihr kenne, aber alle Teilnehmer nahmen es gelassen und gaben uns den Abstand, den wir brauchten, das war eine große Hilfe. Alles in allem haben wir auf dem Seminar sehr viel gelernt, was wir nun im Alltag umzusetzen versuchen. So habe ich wieder eine neue Methode kennengelernt, die meinem kleinen Monster sicher guttut und unser weiteres Zusammenleben bereichern wird. Bestimmt wäre das auch etwas für viele  Hunde, die ich im Training habe. Da ich mir momentan noch nicht zutraue, die Technik weiterzugeben, kann ich den Besuch eines entsprechenden Praxis-Seminars nur empfehlen. -- Mitte Juli ist die positive Wirkung der weiblichen Hormone komplett abgeklungen, und Luzi ist wieder voll und ganz im Reich des Wahnsinns angekommen. Trotz der hochsommerlichen Temperaturen geht ihr nichts schnell genug, Warten ist ein Fremdwort für sie, alles muss sofort passieren, notfalls mit Gewalt. Jetzt heißt es für uns wieder Durchhalten und ruhig bleiben, die nächste Läufigkeit kommt bestimmt ...

August 2014: Im August musste Luzi ganz ordentlich zurückstecken, denn unsere ältere Hündin Peppi war sehr krank und benötigte unsere gesamte Aufmerksamkeit. Mehrere Tage hintereinander verbrachte ich viele Stunden mit Peppi beim Tierarzt, während sie Infusionen erhielt. Luzi musste während dieser Zeit ganz alleine zu Hause bleiben. Und das auch noch zu einer Uhrzeit, zu der sie dies überhaupt nicht gewohnt war. Auch die Spaziergänge danach fielen kurz und hektisch aus, weil ich Peppi nicht lange allein zu Hause lassen wollte. Das bedeutete eine Menge Stress für Luzi, und sie war ziemlich durch den Wind. Alles in allem hat sie es aber gut gemeistert. Es war schon toll, dass sie sich trotz ihres Wesens so weit es ihr möglich war zurückhielt und nicht mehr Aufmerksamkeit forderte. Das hat sie wirklich gut gemacht. Zu unser aller Erleichterung ging es Peppi nach etwa einer Woche wieder besser, und nach und nach konnten wir wieder zum Alltag zurückkehren.

 

September 2014: Der September ist wieder der Monat des Fellwechsels. Über mehrere Wochen hinweg schmeißt Luzi überall wo sie geht und steht massenweise Fell ab. Ich versuche das Ganze durch tägliches Bürsten zu beschleunigen, aber es nützt nichts: Gerade staubgesaugt, überzieht eine halbe Stunde später schon wieder ein regelrechter Fellteppich den Fußboden. Jedes halbe Jahr das gleiche Spiel. Wir nehmen es mit Humor und sehen es als vielversprechenden Vorboten der kommenden Läufigkeit, während der Luzi hoffentlich wieder so lieb und friedlich sein wird wie das letzte Mal. Ansonsten ist der September ein entspannter Monat, denn ich habe Urlaub und viel Zeit für die Hunde. Ich gehe jetzt ab und zu getrennt mit den Hunden spazieren, weil die herzkranke Peppi extrem langsam unterwegs ist und keine großen Spaziergänge mehr durchhält. Hin und wieder tun diese langsamen Spaziergänge Luzi sehr gut, aber auf Dauer findet sie es natürlich langweilig. Mit Luzi alleine kann ich dagegen ab und zu noch ein paar Kilometer machen, was auch für mich eine nette Abwechslung ist. Ohne Peppi im Hintergrund ist Luzi auch fremden Hunden gegenüber etwas zurückhaltender und macht weniger Theater, das ist ein angenehmer Nebeneffekt.

 

Oktober 2014: Seit Anfang Oktober war Luzi läufig. Die Woche davor und die ersten Tage der Läufigkeit waren die Hölle. So heftig, unausgeglichen und aggressiv war sie schon lange nicht mehr. Ich weiß nicht, ob man bei Hunden von PMS spricht, aber etwas in der Art war das auf jeden Fall. Als diese Zeit vorbei war, bekam sie sich langsam wieder in den Griff. Auf die auffallend ausgeglichene und friedfertige Luzi, die ich während der letzten Läufigkeit genießen konnte, warte ich jetzt, Ende Oktober, allerdings immer noch. Ihr Verhalten hat sich jetzt wieder in dem für sie typischen Normalbereich eingependelt, aber da ist definitiv noch mehr Potenzial drin. Naja, ich warte mal die kommenden Wochen ab, da tut sich bestimmt noch was. Der November ist mit Luzi erfahrungsgemäß immer einer der angenehmsten Monate, insofern geb ich die Hoffnung nicht auf, dass die Hormone noch ein bisschen mehr für Ausgeglichenheit sorgen.

November 2014: Tja, was soll ich sagen. Es läuft erwartungsgemäß in diesem Monat wirklich gut mit Luzi. Klar, wenn wir eine Katze sehen oder in Luzis Dorf ein von ihr nicht genehmigter Hund herumläuft, regt sie sich weiterhin extrem auf und tut so, als sei sie eine gefährliche, wilde Bestie. Sie ist eben so wie sie ist, sie kann ja auch nicht aus ihrer Haut. Aber im Großen und Ganzen ist sie momentan richtig schön entspannt und gelassen. Die Hormone tun ihre Wirkung, und ich genieße diese Zeit. Mit etwas Glück hält das jetzt noch bis Ende Dezember an, bis Klein-Luzi sich dann wieder in unser wohlbekanntes Monster verwandelt.

 

Dezember 2014: Silvester ist immer der Tag, an dem der Unterschied zwischen meinen beiden Hunden nicht größer sein könnte. Während Peppi bei jedem Knall besorgt zum Fenster schaut und keinen Schritt vor die Tür setzen möchte, ist der Krach draußen Luzi herzlich egal. Wegen Peppi fällt unser Spaziergang an Silvester immer sehr kurz aus, was für Luzi eine herbe Enttäuschung ist. Sie versteht überhaupt nicht, warum wir nicht eine große Runde drehen. Luzi mag ja bei vielen Dingen unsicher und misstrauisch reagieren, aber geräuschempfindlich war sie noch nie.

 

Januar 2015: Ein seltsamer Winter präsentiert sich uns in diesem Jahr. Bis Mitte Januar war von Frost nichts zu spüren, dafür tobten richtige Herbststürme. Wenn wir draußen unterwegs sind, macht Sturm Luzi überhaupt nichts aus. Aber drinnen, wenn der Sturm ums Haus pfeift, ist sie davon nicht besonders begeistert. Während Peppi seelenruhig im Körbchen liegt und schläft, sitzt Luzi dann irgendwo in einer Ecke und schaut mich mit großen Augen an. Oder sie blickt sorgenvoll auf Türen und Fenster. Vor allem wenn ein Fenster auf Kipp steht. Denn sie weiß, dass das gespenstische Zuknallen von Türen und Fenstern mit dem stürmischen Wetter draußen zusammenhängt. Da Luzi gar kein Problem mit Geräuschen hat, glaube ich nicht, dass es das Knallen ist, das sie verunsichert, sondern eher die Tatsache, dass die Türen und Fenster sich von alleine bewegen. Sowas findet sie offenbar gruselig. - Gegen Ende Januar kam nun aber doch noch der Frost zu uns, und es gab sogar ein klein wenig Schnee. Die Krokusse im Garten lassen sich davon aber nicht beirren, sie sind schon voll auf Frühling eingestellt und sprießen wie verrückt. Ein komischer Winter.

 

Februar 2015: Ich warte seit Ende Dezember darauf, dass Luzi nach der angenehmen Zeit während und nach der letzten Läufigkeit wieder zu ihrem allgemein bekannten Wahnsinn zurückkehrt. Aber es passiert nichts. Naja, zumindest nicht für ihre Verhältnisse, man muss das ja in Relation sehen. Sie ist natürlich weiterhin in Situationen, die für sie neu sind und sie verunsichern, sofort auf 180 und lässt sich kaum wieder beruhigen. Das wird sich vermutlich auch ihr gesamtes Leben lang nicht mehr ändern, dafür fehlt ihr einfach die Anpassungsfähigkeit, die ein Hund nur durch sorgfältige Sozialisation erlangt. Aber im Großen und Ganzen ist sie im Alltag ungewohnt entspannt und zurückhaltend. Sie kann sich besser beherrschen als sonst und ist weiterhin irgendwie sanfter und nicht mehr so "ohne Rücksicht auf Verluste". Ob sie wohl jetzt, im Alter von sechseinhalb Jahren, langsam ein bisschen erwachsener wird? Ich werde das mal weiter beobachten.  

 

März 2015: Luzi ist nach wie vor erstaunlich lieb und zurückhaltend - mit einer kleinen Ausnahme: Am 1. und 2. März war irgendetwas mit ihr bzw. ihrem Hormonspiegel (genau kann das keiner sagen) nicht in Ordnung. An diesen beiden Tagen drehte sie wieder völlig durch, mit allem, was dazugehört: jaulen, bellen, springen, andere Hunde ankläffen (obwohl die in mehr als 100 Metern Entfernung bloß vorbeiliefen, ohne sie anzusehen), Peppi anstänkern, eine fremde Frau anbellen und - meine absolute Lieblingsdisziplin, die mich komplett fertigmacht - auf dem Spaziergang eine Stunde lang alle drei Sekunden mit Wucht in die Leine rennen, bis meine Schulter sich anfühlt, als bestünde sie nur noch aus einem einzigen großen Schmerz. Das ist die patentierte Luzi-Foltermethode, sehr effektiv und auch langfristig wirksam, denn davon hat man noch wochenlang etwas. Als diese beiden Tage vorbei waren, hat Luzi sich aber auf wundersame Weise wieder gefangen und kehrte zu ihrem neuen angenehmen Verhalten zurück. Ich sehe es positiv, dass es diese beiden Tage gab, denn sie erinnern mich daran, dass die normalen, alltäglichen Luzi-Ausraster (also das Kreischen und Hochspringen, wenn etwas Aufregendes passiert) gar nichts sind im Vergleich zu dem, was sie noch so alles auspacken kann. Natürlich macht Luzi weiterhin einen Höllenlärm, wenn sie etwas aufregt, aber das sind nur Momente, die vorbeigehen, und sie beruhigt sich wieder. Damit kann ich leben, das ist nicht so schlimm, das gehört irgendwie zu Luzi dazu.Ich würde mir Sorgen um sie machen, wenn sie auf einmal so ruhig durchs Leben gehen würde wie ein normaler Hund. Aber sie kann auch deutlich heftiger sein und ich bin dankbar, dass das wirklich selten geworden ist.  

April 2015: Die entspannte Phase hält an. Ich überlege, ob es auch etwas damit zu tun hat, dass ich vor etwa einem halben Jahr nach und nach Luzis Futter umgestellt habe. Sie erhält jetzt abwechselnd ein gut ausgewogenes vegetarisches Trockenfutter und selbst gekochtes Gemüse mit Kartoffeln, Nudeln oder Reis und Geflügelfleisch aus Bioland-Haltung. Insgesamt ist jetzt sehr viel weniger tierisches Protein und Fett in ihrem Futter enthalten, außerdem fehlen die Medikamente und Stresshormone, die im Fleisch aus der Massentierhaltung enthalten sind. Das könnte bereits dazu geführt haben, dass Luzis Verhalten insgesamt etwas angenehmer und weniger heftig geworden ist. Genau sagen kann ich es natürlich nicht, womit diese Veränderung zusammenhängt, aber es korreliert zeitlich mit der Futterumstellung. Mal sehen, wie sich das Ganze in den nächsten Monaten entwickelt. Spätestens im Juli müsste sie normalerweise wieder in ihre unangenehme Phase rutschen, aber da dies das letzte Mal bis auf wenige Tage komplett ausblieb, bin ich nun gespannt, wie es weitergeht.

 

Mai 2015: Luzi hatte nach der Läufigkeit Anfang Mai nach längerer Zeit mal wieder Probleme mit den Analdrüsen. Das wirkt sich immer auf ihr komplettes Verhalten aus. Sie wird unsicher, hibbelig, schreckhaft und reagiert sofort aggressiv, wenn sich ein anderer Hund ihrem Hintern nähert. Sogar Peppi wird dann weggeknurrt. Ich machte mich also mit ihr auf zum Tierarzt. Zum Glück passte es zeitlich ganz gut, sodass wir dies gleich mit der alle drei Jahre nötigen Impfung verknüpfen konnten. Nachdem Luzi beim Tierarzt mal wieder den Parkplatz und das gesamte Wartezimmer zusammengekreischt und alle anderen Patienten mit kreidebleichen Gesichtern zurückgelassen hatte, war dies überstanden, und in den Tagen danach merkte man, wie sie sich deutlich entspannte. Ohne Schmerzen im Po lebt es sich deutlich angenehmer, das ist ja auch verständlich. Inzwischen ist sie wieder der liebe, entspannte Hund, den ich in den letzten Monaten um mich hatte. Sie ist sogar so gut zu handeln, dass Herrchen sie nun öfter zum Joggen mitnehmen kann - als Ausgleich für die doch recht kurzen Spaziergänge, die wir sonst wegen der elf Jahre alten Peppi machen, die nicht mehr so fit ist.

 

Juni 2015: Von Anfang Juni bis etwa bis zum Beginn der Kieler Woche Ende Juni ist Luzi ein Traum von einem Hund. Sie bleibt auf den Spaziergängen in meiner Nähe und schaut mich regelmäßig von sich aus an. Sie zeigt eine für Luzi-Verhältnisse ungewöhnlich starke Impulskontrolle und schafft es sogar, sich von wegrennendem Wild abzuwenden und zu mir zu kommen. Daher kann ich sie auch in wildreichen Gegenden nun streckenweise zumindest auf Wegen, die ich gut überblicken kann, wieder ohne die 15-Meter-Leine frei laufen lassen. Zeitgleich macht Peppi mir Sorgen, weil sie immer geräuschempfindlicher wird und auf einmal panisch auf alltägliche Geräusche reagiert, die früher nie ein Problem waren. Es ist, als hätten die Hunde sich abgesprochen: Jetzt bin ich ausnahmsweise mal unkompliziert und dafür beschäftigst du Frauchen auf dem Spaziergang mehr, okay? Beim Tierarzt stellt sich heraus, dass die Dosierung von Peppis Schilddrüsenhormonen nicht mehr passt und der Hormonspiegel im Blut zu hoch ist. Nachdem ich die Dosis reduziert habe, wird Peppi schlagartig wieder ganz die Alte und lässt sich von ihren neuen Angstauslösern nicht mehr aus der Ruhe bringen. Nun aber ist Luzi wieder am Start: Als hätte Peppi ihr ein Zeichen gegeben, schaut sie auf einmal wieder aufmerksamer nach Wild-Bewegungen und ich merke, dass ich wieder mehr auf sie aufpassen muss. Mag sein, dass das Zufall ist, aber ich finde es trotzdem bemerkenswert. Es passt aber auch ins zeitliche Schema: Luzis Läufigkeit ist nun etwas über eineinhalb Monate her und das ist immer die Zeit, in der ihre Hormone sie wieder ein bisschen mehr zum Monster werden lassen. Das heißt, nun beginnt wieder die Zeit, in der wir damit rechnen müssen, dass Luzi impulsive Kreisch-Anfälle bekommt und mit dem Kopf durch die Wand will. Aber das kennen wir ja schon zur Genüge von ihr. Und mal ganz ehrlich: Sind wir nicht alle ein bisschen Luzi ...

 

Juli 2015: Luzi ist wieder in ihrer aufgeregten hormonellen Phase und möchte des Öfteren am liebsten mit dem Kopf durch die Wand. So wie wir sie eben kennen. Dennoch ist sie auf dem Spaziergang an Wildspuren weiterhin sehr gut abrufbar, achtet viel auf mich und bleibt in meiner Nähe. Geduldig wartet sie auf die bei der sommerlichen Wärme im Schneckentempo vor sich hin trottelnde Peppi und arbeitet wunderbar mit. Ich bin begeistert. Offenbar haben wir wieder einen Fortschritt gemacht, der sich stabil auch über die aufgeregten Phasen hinweg hält. Das zeigt mal wieder, dass Geduld und Zeit immer noch die wichtigsten Instrumente im Hundetraining snd: nicht zu viel erwarten und einfach mit Liebe und Ruhe dran bleiben, dann ergeben sich immer wieder kleine Erfolge. Meine Luzi wird in diesem Monat sieben Jahre alt, aber sie ist immer noch in der Entwicklung. Was sich bei anderen Hunden innerhalb der ersten drei Jahre ergibt, das dauert bei ihr einfach entsprechend länger. Und sie wirkt ja auch wesentlich jünger. Wenn ich nicht wüsste, wie alt sie ist, würde ich ihr die sieben Jahre niemals glauben.

August 2015: Mit dem Beginn des Fellwechsels bereitet Luzi sich nun schon wieder auf die nächste Läufigkeit vor. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie ihr gefühlsmäßiges Auf und Ab mit den hormonellen Phasen, die sie durchläuft, einhergeht. Naja, es ist ja beim Menschen auch nicht anders, man erkennt sich manchmal mit einem Schmunzeln selbst wieder. Aktuell ist Luzi hibbelig und aktiv, will viel laufen und rennen. Aber sie kann auch gut entspannen und richtig abschalten. Solange alles in gewohnten Bahnen läuft und der Alltag keine Überraschungen bereithält, ist Luzi zufrieden und für ihre Verhältnisse ausgeglichen. Ich sehe immer wieder, wie gut ihr die ruhige Regelmäßigkeit tut. Dieser Hund wäre in einer turbulenten Familie, in der immer was los ist und ständig Besuch kommt, so unglaublich fehl am Platz. Das würde keine zwei Wochen gut gehen. Aber die ruhige Umgebung hier gibt ihr Stabilität und Raum zur weiteren Entwicklung. Ich bin sehr froh, dass wir ihr das bieten können.

 

September 2015: In diesem Monat sind wir zum ersten Mal seit vier Jahren mal wieder mit den Hunden über mehrere Tage in Urlaub gefahren. Wir hatten Glück mit dem Ferienhaus, es war freistehend und ruhig gelegen, und man konnte direkt von dort aus schöne Spaziergänge machen. Dennoch war es - wie erwartet - sehr anstrengend. Mit einem alten Hund, der nicht mehr besonders lange durchhält, und einem durchgeknallten Hund, der Probleme mit Neuem hat, kann man im Urlaub einfach nicht besonders viel unternehmen. Und alles, was man dann doch tut, kostet Nerven. Wir haben aber aus den paar Tagen das Beste gemacht und uns gesagt, dass wir nun auch die nächsten Jahre nicht mehr wegfahren müssen. Wenn man sich entspannen will, geht das mit den Hunden zu Hause einfach am besten. Indessen kündigt sich Luzis im Oktober bevorstehende Läufigkeit auch den gesamten September hindurch noch durch einen wie immer überwältigenden Fellwechsel (Haare, Haare, überall nur Haare ...) und ihre typischen Stimmungsschwankungen an. Oft ist sie jetzt sehr kuschelbedürftig und reagiert auf alles, was sie aufregt oder verunsichert, noch hysterischer als sonst. Naja, ich kann sie verstehen, mir geht es ja auch manchmal ganz ähnlich. Kleine Luzi, sei gewiss, alles wird wieder gut.

 

Oktober 2015: Seit die Läufigkeit vorbei ist, ist Luzi wieder einfach nur toll. Das hormonelle Auf und Ab hat sich gelegt, und für ihre Verhältnisse ist sie ausgesprochen entspannt und kooperativ. Ich kann sie sogar streckenweise wieder frei laufen lassen, solange keine Wildtiere in Sicht sind. Natürlich flippt sie auch in diesem entspannten Zustand regelmäßig aus, wenn wir im Dorf Hunden oder Katzen begegnen, sooo ruhig ist sie nun auch wieder nicht. Auf unserem am häufigsten genutzten Spazierweg müssen wir an einem Haus vorbei, in dem ein großer schwarzer Labrador lebt. Luzi hasst diesen Hund wie die Pest. Sie misstraut ohnehin großen glatthaarigen Hunden zutiefst, und der lebt auch noch in ihrem Revier, daher ist es verständlich, dass sie jedes Mal hysterisch wird, wenn sie ihn nur von weitem sieht. Ist dieser Hund draußen auf seinem Grundstück, kommen wir aber iinzwischen einigermaßen gut daran vorbei. Nur manchmal hält er sich nicht so ganz an die Grundstücksgrenzen und schnüffelt auf der Straße herum. Dann wird es schwierig für mich, die tobende Luzi an ihm vorbeizubugsieren. Ich bin früher in dieser Situation immer umgedreht und einen anderen Weg gegangen. Inzwischen haben wir eine neue Stufe erreicht: Ich sehe den Hund auf dem Weg vor uns, drehe um und gehe nur zwei, drei Schritte zurück. Für meine leicht autistisch veranlagte Luzi reicht allein die Tatsache, dass wir umdrehen, schon aus, um die ganze Nachbarschaft zusammenzukreischen. Das hat folgenden Effekt: Frauchen hört das Geschrei, kommt aus dem Haus und ruft den Labi zu sich. Und wir können unseres Weges gehen. Wie praktisch! Wer hätte gedacht, dass sich Luzis Gekreische so wunderbar nutzen lässt. Dadurch hat sogar ihre nervigste Eigenschaft noch etwas Positives.

 

November 2015: Wie jedes Jahr ist der November unser entspanntester Monat. Es macht richtig Spaß, mit Luzi unterwegs zu sein, da sie für ihre Verhältnisse gut ansprechbar und einigermaßen beherrscht ist. Klar, wenn wir zu aufregenden Orten fahren, so wie neulich, als wir uns mit einer Freundin und ihrem Hund am Strand getroffen haben, dann kreischt Luzi beim Aussteigen aus dem Auto trotzdem die ganze Gegend zusammen. Das klingt, als würde ich sie abschlachten. Dabei versuche ich lediglich, noch die Tür der Hundebox und die Heckklappe zu schließen, während Luzi schon losrennen will. Das ist nun wirklich auch zu viel, als dass unser kleines Nervenbündel es ertragen könnte. Wie kann ich nur von ihr verlangen, eine Minute abzuwarten, geht ja gar nicht ... Naja, das Übliche eben, aber ich nehme es gelassen. So ist sie halt. 

Dezember 2015: Der Dezember fliegt nur so dahin. Luzi ist lieb, aufmerksam und entspannt. Ich vermute, dass sie um Weihnachten herum wieder zu ihrer "Höchstform" auflaufen wird, wie jedes Jahr, aber momentan ist davon noch nichts zu bemerken. Es macht einfach nur Spaß mit ihr. Da Peppi inzwischen meist keine Lust mehr auf längere Spaziergänge hat und der Unterschied zwischen den beiden, was das Bewegungsbedürfnis angeht, immer mehr auseinanderdriftet, gehe ich seit Anfang Oktober fast immer getrennt spazieren. Dadurch kann ich mich viel mehr auf den einzelnen Hund konzentrieren und jedem besser gerecht werden. Es dauert zwar entsprechend länger, ist aber insgesamt so angenehm, dass ich mir die Zeit gerne nehme.

 

Januar 2016: Aktuell ist Luzi in der hormonellen Phase, die ihrer Umgebung am allermeisten auf die Nerven geht. Der Januar ist normalerweise von wilden, impulsiven Temperamentsausbrüchen gekennzeichnet. Dieses Jahr geht das einigermaßen. Klar, der Weg durchs Dorf, wo es überall nach Katzen und Hunden riecht, ist aufregend, da zieht sie momentan an der Leine. Und wenn gar einer ihrer Erzfeinde gerade den Weg entlang gegangen ist, dann fängt sie schon auch an, in die Leine zu rennen, wie es für sie typisch ist. Aber im Großen und Ganzen ist das im Vergleich zu früher alles etwas abgeschwächt und weniger anstrengend für uns, das ist schon schön. Vielleicht macht sich ihr Alter jetzt doch langsam in Form von etwas weniger Hemmungslosigkeit bemerkbar. Sind weit und breit keine Wildtiere in Sicht, kann ich sie sogar frei laufen lassen und sie rennt auch nicht so weit voraus, sondern bleibt in meiner Nähe. Und das im Januar, das ist schon etwas Neues. Sonst konnte ich das nur in den ruhigeren Monaten wagen. Auch ihr Spiel mit mir macht mehr Spaß und muss nicht immer nach kurzer Zeit abgebrochen werden, denn sie rennt mir nicht mehr mit voller Wucht in die Beine, sondern schafft es, vorher etwas abzubremsen und eine seitliche Drehung zu machen. Dadurch fällt der "Body-Check" nicht so unangenehm aus wie früher, als sie noch komplett unkontrolliert war. Es ist spannend, wie Luzi sich immer noch weiterentwickelt und verändert. 

 

Februar 2016: Ab Anfang Februar legen Luzis Hormone noch mal richtig los. Da hatten wir uns wohl zu früh gefreut. Sie rennt wild in die Leine, kreischt, springt, führt sich auf wie eine Bekloppte. Naja, wie Luzi eben, während ihrer unangenehmen hormonellen Phase. Impulskontrolle und Frustrationstoleranz sind quasi nicht vorhanden. Von den angenehmen Spaziergängen der letzten Monate muss ich mich erst einmal wieder verabschieden. Aber immerhin - was früher drei Monate gedauert hat, scheint sich jetzt auf eineinhalb Monate verkürzt zu haben. Denn im April spätestens steht ja schon wieder die nächste Läufigkeit an, und dann wird Luzis Verhalten wieder angenehmer werden. Das ist doch auch schon mal nicht schlecht. Momentan hilft mir das allerdings wenig, es heißt jetzt Augen zu und durch. Hoffentlich muss dieser Hund niemals kastriert werden, denn dann hätten wir ihre gruselige hormonelle Phase mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft am Hals. Am schlimmsten ist Luzis intolerantes Verhalten gegenüber Peppi, denn die wird immer schwächer und kann sich inzwischen gar nicht mehr gegen sie wehren. Wenn Luzi an ihr vorbeifetzt, hat sie Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Und da sie inzwischen kaum noch etwas sieht, läuft sie manchmal regelrecht ins offene Messer, indem sie unbeabsichtigt Luzis Individualdistanz missachtet und dann von dieser Prügel bezieht. Luzi begreift natürlich nicht, warum Peppi ihre warnenden Blicke ignoriert. Dass sie die nicht mehr sehen kann, versteht sie nicht. Wir können nicht immer da sein und aufpassen. Wenn das noch schlimmer wird, müssen wir die beiden während der Zeiten, die sie allein zu Hause sind, räumlich trennen.  

 

März 2016: Der März ist Luzis PMS-Monat. Die anstehende Läufigkeit kündigt sich durch hormonelle Schwankungen an. Mal ist Luzi sanft und lieb, und am nächsten Tag tickt sie wieder völlig aus. Naja, das Übliche eben, das kennen wir alles schon zu gut von ihr, um uns noch darüber aufzuregen. Rein äußerlich schmeißt sie gerade alles ab, was sie an Fell hat, und das mit einer solchen Geschwindigkeit, dass sie überall, wo sie geht oder steht, eine Spur von Haaren hinterlässt. Und wehe, sie schüttelt sich, dann kann man gleich den Staubsauger holen. Nach Beginn der Läufigkeit im zweiten Märzdrittel wird sie zur empfindlichen kleinen Mimose, die schnell in Stress gerät und sich dann überfordert fühlt und den ganzen Tag kuscheln möchte. Ach ja, die Hormone ... Bald ist es vorbei, dann kehrt wieder Ruhe ein.

April 2016: Wir sind am Renovieren und Luzi betätigt sich mal wieder als unsere "Bauaufsicht". Ihrem Charakter entsprechend will sie immer ganz genau wissen, was wir machen und wie sich die Räume dadurch verändern. Immer wenn ich Fotos mache, um den Fortschritt der Arbeiten zu dokumentieren, taucht Luzi auf den Bildern auf, schaut sich alles ganz genau an und schnuppert herum. So ist es bei ihr mit allem, auch wenn ich z.B. eine Zecke entfernt habe, will sie diese anschließend noch ganz genau inspizieren. Oft schaut sie mich dann mit einem entsetzten Blick an, als wollte sie sagen: "DAS Ding hing an mir dran?!" Sie mag es eben überhaupt nicht, wenn nicht alles seinen Platz hat und so ist wie es zu sein hat. - Seit etwa einem Jahr geht Luzi öfter mit meinem Mann joggen oder läuft auch mal am Fahrrad mit. Dabei ist sie, ganz Arbeitshund, hoch konzentriert und so sehr mit ihrem "Job" beschäftigt, dass sie nicht einmal entgegenkommende Hunde anpöbelt. Schließlich hat sie gerade Wichtigeres zu tun. Wer jetzt aber glaubt, sie wäre durch die schnelle Bewegung und die vielen Kilometer ausgelasteter, der irrt gewaltig. Nach dem Laufen ist sie noch mindestens den Rest des Tages extrem aufgedreht und gepusht und kommt schlecht zur Ruhe. Wir müssen darauf achten, dass wir es nicht übertreiben und sie möglichst nicht öfter als einmal pro Woche mitkommt. Der Rest der Zeit ist für ruhige Spaziergänge mit viel Schnüffeln reserviert, damit sie wieder runterfährt und sich entspannen kann. Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie viel wichtiger es für einen Hibbelhund ist, Ruhe zu erlernen und zu erleben, als sich andauernd bis zur Erschöpfung auszutoben. Übertreibt man Letzteres, dann geht das grundsätzlich nach hinten los. 

 

Mai 2016: Dass Luzi ein Hund ist, der zu enormen Denkleistungen fähig ist, war mir schon immer klar. Trotzdem kann sie mich noch mit Neuem überraschen. Sie hat beispielsweise bisher nie gebellt, wenn jemand die Tür mit dem Schlüssel aufgeschlossen hat, denn das waren immer entweder mein Mann oder ich. Ich hatte daher immer gedacht, dass sie der Ansicht war, das Geräusch des Schlüssels könne nur bedeuten, dass wir das sind. Also das Ergebnis einer einfachen Klassischen Konditionierung: Schlüsselgeräusch = Familie. Doch weit gefehlt, Luzi ist offenbar kein Hund, der sich nur auf so elementare Reize verlässt, sondern sie denkt weiter. Neulich hatten wir mit einem Freund das Auto getauscht, weil wir einen Tag lang einen Transporter benötigten. Mein Mann stand früh auf und verließ das Haus. Er tauschte vor der Haustür das Auto und Luzi hörte, wie sein Auto wegfuhr. Sie entnahm dem offensichtlich, dass er nun fort sein müsse. Daher flippte sie völlig aus, bellte und war extrem aufgeregt, als er kurz danach die Haustür wieder aufschloss. Das konnt nur ein Fremder sein, schließlich war sie der Überzeugung, dass mein Mann gerade weggefahren war. Erst als sie ihn sah und er sie ansprach, beruhigte sie sich langsam wieder. Für einen Hund ist das schon eine enorme Kombinationsleistung, allein aus den Abläufen und Geräuschen eigene Schlüsse zu ziehen, diese minutenlang im Gedächtnis zu behalten und dann aufgrund weiterer Geräusche wiederum Rückschlüsse auf das zuvor Geschehene zu ziehen. Ich war begeistert und habe Luzi auch für das Bellen in diesem Moment bewusst gelobt, denn es machte mir einmal mehr deutlich, was für ein einzigartig schlauer und aufmerksamer Wachhund sie doch ist.

Juni 2016: Wenn es ums Essen geht, ist Luzi eine richtige Pimpernella. Das war schon immer so, egal ob Trocken- oder Nassfutter, mit Fleisch oder ohne, mit Getreide oder ohne, oder gar selbstgekocht. Sogar wenn ein Futter ihr gut schmeckt, mag sie es höchstens drei Tage hintereinander, dann wird es langweilig und sie mäkelt wieder herum. Anfangs war das für mich gewöhnungsbedürftig, weil ich so ein Verhalten von unserer "Ich fresse alles und davon so viel wie möglich"-Peppi nicht kannte. Aber ich kann in dieser Hinsicht noch sturer sein als mein Hund. Wenn Luzi es morgens nicht mag, kriegt sie dasselbe Futter so lange wieder hingestellt, bis der Hunger irgendwann groß genug ist. Bei Trockenfutter ist das auch gar kein Problem. Trotzdem möchte ich Luzi natürlich ein bisschen Abwechslung bieten, und so gibt es ab und zu immer mal eine Mahlzeit mit Nassfutter. Ich probiere dafür in letzter Zeit alle möglichen vegetarischen Futtersorten aus und wir haben auch schon zwei gefunden, die Luzis Begeisterung wecken, insbesondere ein auf Bohnen basierendes Futter und der Hanf-Schmaus haben es ihr angetan. Allerdings gab es auch einige Sorten, die nur einen angeekelten Blick in den Futternapf hervorriefen. Aber gut, Versuch macht klug. Wir testen weiter. Fleisch kommt bei uns nur noch sehr selten in den Napf. Peppi verträgt es seit der Bauchspeicheldrüsenentzündung einfach nicht mehr, und Luzi kommt auch super mit dem vegetarischen Futter klar. Es ist einfach nicht nötig, dass wegen meiner Hunde andere Tiere leiden und sterben müssen. Als Leckerlis nehme ich ein vegetarisches Bio-Trockenfutter, das die Hunde über alles lieben, und unsere Möhren-Hundekekse backe ich regelmäßig selbst. Wer mehr über meine Erfahrungen mit fleischhaltigem und fleischlosem Hundefutter wissen möchte, möge einfach mal in meinen Blog schauen (Artikel aus dem Mai 2015). 

 

Juli 2016: Luzi wurde diesen Monat acht Jahre alt. Niemand hätte gedacht, dass sie sich in diesem Alter immer noch verhält wie ein zweijähriger Hund. Wir hatten früher immer ihre Mutter vor Augen, die mit ihrem zweiten Wurf schlagartig weiß im Gesicht wurde (vermutilch hat sie Luzi gesehen und vor Schreck ihre ganze Farbe verloren) und die etwa ab ihrem sechsten Lebensjahr schon sehr ruhig und behäbig geworden war. Ähnlich war es ja auch mit Peppi, die man im Alter von acht Jahren schon langsam zu den Senioren zählen konnte. Bei Luzi ist das alles ganz anders. Es sprießt zwar inzwischen das eine oder andere vereinzelte weiße Haar in ihrem Gesicht, aber das war's dann auch schon. Ansonsten ist sie genauso durchgeknallt wie eh und je, rennt wie eine Bekloppte durch ihr Leben und will weiterhin mit dem Kopf durch die Wand. Dieser Hund wird uns noch alle überleben ...

 

August 2016: In diesem Monat zeigt Luzi sich mal wieder von ihrer absolut durchgedrehten Seite. Kein Spaziergang startet ohne lautstarkes Kreisch-Bellen. Erst wenn wir das Dorf hinter uns gelassen haben, regt sie sich langsam wieder ab. Es ist nervig, aber es gibt mehrere Gründe dafür: Bei dem momentanen Wetter sind viele Katzen draußen unterwegs, und es laufen in letzter Zeit drei neue Hunde durchs Dorf. Luzi ist im Fellwechsel und bereitet sich hormonell schon auf die nächste Läufigkeit vor, was immer eine schwierige Zeit ist. Und - das darf man sicher auch nicht unterschätzen - ich bin sehr gestresst, weil wir wegen eines Wasserrohrbruchs ständig Handwerkertermine haben und das Haus eine Baustelle ist, und weil ich mir Sorgen um die Gesundheit meiner alten Peppi mache, die zusätzlich zu ihren anderen Gebrechen nun auch noch eine beginnende Niereninsuffizienz hat. Luzi nimmt das alles auf und spiegelt es nach außen wider, indem sie sich ordentlich austobt.

September 2016: Der September ist wie immer ein Auf und Ab der Hormone, das Luzis Selbstbeherrschung auf ein Minimum schrumpfen lässt. Erst nach Beginn der Läufigkeit schaffen wir es wiederi, mit Leckerli-Werfen in der Einfahrt und viel Ruhe und Geduld, das Haus zu verlassen, ohne das ganze Dorf zusammenzuschreien. Mitte September waren auch endlich die Handwerker fertig und wir hatten unser Haus wieder für uns. Das war schon eine große Erleichterung für unsere hauptberufliche Aufpasserin Luzi, die ihre Mission darin gefunden hat, Haus und Garten gegen Eindringlinge zu verteidigen. Nun kommen endlich keine fremden Menschen mehr ins Haus und Luzi muss nur noch aufpassen, dass kein anderer Hund es wagt, die Straße entlangzugehen. Auch das ist schon ein ganz schön anstrengender Job ...

 

Oktober 2016: Ich glaube, Luzi will momentan einen Streberpreis gewinnen. Sie ist einfach nur toll und die Spaziergänge mit ihr machen richtig Spaß. Wenn ich sie frei laufen lasse, schaut sie sich alle paar Minuten nach mir um, kommt zurückgelaufen, geht ohne Aufforderung minutenlang bei Fuß ... natürlich will sie dabei eine Belohnung abstauben, aber das sei ihr auch gegönnt, bei so vorbildlichem Verhalten. Wenn das immer so toll liefe, wäre das traumhaft, und selbstverständlich bekommt sie dafür auch etwas. Wenn Rehe in Sicht sind, lasse ich Luzi weiterhin an der 15-Meter-Leine laufen, aber auch da beherrscht sie sich aktuell wunderbar, schaut zwar hin, macht aber keinen Sprint in die Leine und fängt noch nicht einmal an zu bellen. Wundervoll. Ich weiß, es werden bald wieder andere Zeiten anbrechen, aber ich liebe diese wenigen ruhigen Monate im Jahr mit ihr. 

 

November 2016: Im Großen und Ganzen läuft der Alltag weiterhin sehr entspannt. Luzi hat für ihre Verhältnisse viel Selbstbeherrschung und ich kann sie trotz der vielfältigen Wildspuren oftmals frei laufen lassen, weil sie mir viel Aufmerksamkeit schenkt und gut abrufbar ist. Mitte November gab es allerdings persönlich einen Rückschlag, als Luzi nach sehr langer Zeit der Entspannung und des Friedens mal wieder auf Peppi losging und sie verprügelte. Wir hatten so gehofft, dass das nicht mehr passiert. Seit wir die beiden die meiste Zeit des Tages voneinander trennen, hatte Luzi keinen Übergriff mehr gestartet. Nun aber doch wieder. Das war sehr frustrierend für uns und natürlich schlimm für Peppi, die sich daraufhin in ihrem eigenen Zuhause nur noch vorsichtig und ängstlich vorwärts bewegte. Zum Glück ist unsere alte Dame schon sehr vergesslich und verzeiht schnell, so dass sie nach kurzer Zeit wieder fröhlich und entspannt wirkte. Trotzdem könnten wir auf solche Vorfälle natürlich verzichten.

Dezember 2016: Bis kurz vor Weihnachten hält Luzis angenehme hormonelle Phase an. Sie ist auch im Freilauf außergewöhnlich gut lenkbar und wenig außenorientiert. Aber wie immer dauert diese Zeit nicht ewig. In den Tagen vor Weihnachten zeigt sie schon sporadisch wieder ihr typisches grundloses Kreischen und In-die-Leine-rennen, während sie die übrige Zeit lieb ist. Es deutet sich an, was bald wieder auf uns zukommt. Nach Weihnachten wird ihr Verhalten heftiger, und sofort macht sich wieder meine linke Schulter bemerkbar, die durch achtjährige schmerzhafte In-die-Leine-renn-Erfahrung geprägt ist und seit Jahren von mir nur noch "meine Luzi-Schulter" genannt wird. Ein Ruck und ich weiß wieder, wie schmerzhaft die Spaziergänge der letzten Jahre oft für mich waren. Da ich inzwischen meist einzeln mit den Hunden spazieren gehe, habe ich jetzt allerdings die Möglichkeit, die Leine öfter in der rechten Hand zu halten, dieser Arm ist noch nicht so vorbelastet. Das ist eine echte Erleichterung.

 

Januar 2017: Die Silvesterknallerei hat Luzi wie immer überhaupt nichts ausgemacht, und auch mit unserer sehr geräuschempfindlichen Peppi war es - ihrer zunehmenden Schwerhörigkeit sei es gedankt - in diesem Jahr einigermaßen entspannt. Im Januar ist Luzi gewohnt heftig und reizbar und die Spaziergänge beginnen anstrengend, aber nach den ersten 300 Metern hat sie ihren ersten Energieüberschuss rausgelassen und es läuft eigentlich sehr gut mit ihr. So gut, dass ich sie auch in Gegenden, in denen das sonst nicht klappte, immer öfter frei laufen lassen kann, weil sie keinen Wildspuren mehr folgt, sondern höchstens einem direkt vor uns weglaufenden Reh kurz hinterherrennen würde. Solange ich aufpasse und Wildtiere vor ihr entdecke, gibt es nun keine Probleme mehr im Freilauf. Das macht die Spaziergänge angenehmer, denn hier, wo niemand die Hundekacke wegräumt, gleicht das Gassigehen mit Schleppleine doch eher einem Slalomlauf um die Hundehaufen herum. Auch wenn man es angesichts ihrer täglichen hysterischen Kreisch-Anfälle kaum glauben mag - insgesamt gesehen scheint Luzi mit ihren inzwischen achteinhalb Jahren nun vielleicht doch endlich etwas ruhiger zu werden. Wir hatten die Hoffnung, dass das irgendwann passieren würde, ja schon fast aufgegeben.

 

Februar 2017: Während Luzi im Februar mal wieder alles gibt und keine Gelegenheit auslässt, die Welt an ihrer grenzenlosen Emotionalität teilhaben zu lassen, möchte ich diesen Monat ausnahmsweise einmal unserer stillen kleinen Maus widmen, denn unsere liebe, süße Peppi wurde 13 Jahre alt. Wenn das kein Grund ist, mal nicht immer nur über Luzi zu reden! Nach einigen gesundheitlichen Problemen in den letzten Jahren hatte ich nicht damit gerechnet, dass Peppi heute immer noch bei uns sein wird, aber sie hat uns alle überrascht und ist nicht nur noch da, sondern sogar so fröhlich, lebenslustig und aktiv wie schon lange nicht mehr. Wir sind unglaublich glücklich, dass es unserer Süßen so gut geht und sie weiterhin jeden Tag fröhlich auf dem Spaziergang durch die Gegend hoppelt und neugierig auf Schnüffel-Entdeckungsreise geht.

März 2017: Der Monat startet ganz im Zeichen des PMS. Luzi ist explosiv und hibbelig unterwegs und verliert Unmengen an Fell, als wollte sie einen Preis dafür gewinnen. Überall, wo sie gerade entlang gelaufen ist, finden sich Haare auf dem Boden. Hat sie sich geschüttelt oder ist sie einen Weg mehrfach gelaufen, dann häufen sich die Haare zu kleinen Fellbergen. Da ich keine Lust habe, jeden Tag staubzusaugen, fege ich täglich einmal durch. Das ist auch nötig, denn ohne diese Maßnahme würde man nach zwei Tagen spätestens keinen Fußboden mehr unter den ganzen Haaren erkennen. Wenn wir durchlüften, fliegen überall Haarbüschel durch die Gegend und man kommt sich vor wie in diesen alten Westernfilmen, in denen Gestrüpp durch die Wüste rollt. Mitte März ist es dann endlich so weit: Die Läufigkeit beginnt. Jetzt dauert es bestimmt nicht mehr lange, bis Luzi wieder in ihre nette Phase kommt. Wir freuen uns schon auf die Monate, die uns nun erwarten.

 

April 2017: Läufige Hündinnen leiden unter vorübergehender Taubheit - und das meine ich ganz und gar nicht sarkastisch. Es ist tatsächlich so, dass für eine Hündin während der Läufigkeit die Gerüche am Wegesrand so sehr in den Fokus rücken, dass sie manchmal die gesamte Außenwelt ausblendet. Bei Luzi lässt sich das wunderbar beobachten: Sie ist am Schnuppern und ich rufe sie. Keine Reaktion. Erst etwa drei, vier Sekunden später zuckt auf einmal ihr Kopf hoch und sie schaut mich verwirrt an, als wollte sie fragen: "Hast du was gesagt?" Sie war dann einfach so sehr ins Schnuppern vertieft, dass sie mein Rufen nur ganz am Rande mitbekommen hat. Ich selbst kann das übrigens sehr gut verstehen. Ich bin auch manchmal so in eine Beschäftigung vertieft, dass ich gar nicht bemerke, dass jemand mit mir redet. Das hat schon so manchen Streit verursacht, obwohl ich das gar nicht böse gemeint hatte. Ich denke, so geht es auch meinem Hund, und man muss nicht immer alles, was passiert, persönlich nehmen. - Ab Mitte April macht sich die jetzt anstehende "liebe Phase" schon zeitweise bemerkbar: Luzi geht beim Spaziergang unaufgefordert neben mir, springt sehr viel seltener als sonst ruckartig in die Leine, wird insgesamt etwas umgänglicher und kuscheliger. Ach, wie schön. Ich freue mich auf die Zeit, die jetzt kommt.

Mai 2017: In zwei Monaten wird Luzi schon neun Jahre alt. Ich muss mir das immer wieder aktiv vor Augen halten, denn ich würde es sonst kaum glauben. Wenn ich es nicht genau wüsste, würde ich Luzi jetzt vielleicht auf fünf Jahre schätzen, aber keinesfalls älter. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich die körperliche Konstitution meiner beiden Hunde ist, obwohl sie derselben Rasse angehören. Peppi, die etwas kräftiger und breiter gebaut ist und mehr Fell hat (da machen sich ein paar Vorfahren aus der Showlinie bemerkbar) und die außerdem dazu neigt, Sorgen in sich hineinzufressen, hatte mit neun Jahren schon diverse Erkrankungen durch: Entzündungen aller Art, am schlimmsten war die Gebärmutterentzündung mit der schrecklichen OP, Zahnprobleme und damit verbunden noch mal zwei Operationen, Zwingerhusten, Pilzbefall, Rückenprobleme und daraus resultierendes Schleifen der Hinterpfoten, Schilddrüsenunterfunktion, und ihr vergrößertes Herz machte sich in dem Alter durch Kreislaufprobleme bemerkbar, und dann natürlich noch die fortschreitende Erblindung, bedingt durch die erbliche Katarakt ... Peppi konnte man mit neun Jahren schon definitiv als Seniorin bezeichnen, und sie hatte entsprechend viele gesundheitliche Baustellen. Ganz anders Luzi: Wenn man von ihrer geistigen Gesundheit mal absieht - körperlich betrachtet hatte ich noch nie einen so kerngesunden Hund. Luzi war noch nie krank. Noch nie! Klar, sie hat mal was Falsches gefressen oder sich die Pfote verletzt, und ab und zu zwickten die Analdrüsen (was deutlich besser geworden ist, seit wir auf vegetarisches Futter umgestiegen sind). Aber das werte ich alles nicht als Krankheit, das sind Kleinigkeiten. Wir mussten uns um ihre Gesundheit noch nie Sorgen machen. Unkraut vergeht nicht - ich glaube, gewissermaßen ist da wirklich was dran. Denn Luzi lässt schlechte Gefühle immer sofort raus. Wenn es ihr nicht gut geht, sie frustriert, genervt, gelangweilt oder gestresst ist, dann lässt sie ihre Umgebung dafür leiden. Und schwupps geht es ihr wieder besser. Ein bisschen asozial, okay, aber in gesundheitlicher Hinsicht scheint sich das zu bewähren ...

Juni 2017: Der Juni ist ein angenehmer Monat. Luzi ist relativ entspannt und gibt sich Mühe, Konflikten mit Peppi aus dem Weg zu gehen. Mir fällt auf, dass sie in letzter Zeit während der Zeit der Scheinträchtigkeit Milch bildet. Ich habe mir daher das homöopathische Mittel Pulsatilla besorgt. Das hilft, die Hormone wieder ins Gleichgewicht zu bringen. - Neuerdings rätseln wir, ob Luzis Adleraugen womöglich etwas schwächer werden. Es kam jetzt schon vor, dass sie Krähen auf dem Feld und die sich bewegenden Füße von Menschen, die hinter einem Traktor herumliefen, mit Katzen verwechselte. Das wäre ihr früher nicht passiert. Macht sich ihr Alter doch langsam bemerkbar?

 

Juli 2017: Mitte Juli ist die schöne Zeit, in der Luzis Verhalten von ihren aktiven weiblichen Hormonen bestimmt wird, leider definitiv vorbei. Hinzu kommt noch, dass wir fast auf jedem Spaziergang Katzen, Kaninchen oder anderen Hunden begegnen und Luzi somit schon mit "hochgekrempelten Ärmeln" das Haus verlässt und überall nach potenziellen Aufregern Ausschau hält. Und wer schon auf 180 den Spaziergang beginnt, der rastet natürlich noch schneller aus als sowieso schon. So kommt es dazu, dass Luzis Frustgeschrei, wenn ich sie an der kurzen Leine davon abhalte, eine Katze einen Kopf kürzer zu machen, fast täglich unsere Nachbarn aufschreckt. Ich versuche derweil, Luzi zu Hause und unterwegs mit Suchspielen, kuscheln und Markertraining eine möglichst positive, gelassenere Stimmung zu vermitteln, und nach ein paar Tagen scheint das auch schon erste Erfolge zu erzielen. Mal schauen, wie es weitergeht.

 

August 2017: Wie gewohnt, ist der August einer der heftigsten Monate mit Luzi. Sie bereitet sich auf die nächste Läufigkeit vor, schmeißt ihr Fell ab und schwankt jeden Tag zwischen Hysterie und Wahnsinn. Dummerweise laufen uns weiterhin fast jeden Tag im Dorf Katzen über den Weg, so dass es auch wirklich keinen Grund zur Beruhigung gibt. Naja, wir werden's überleben. Es gibt auch wieder bessere Zeiten. Gut, dass wir früher nicht wussten, dass Luzi mit neun Jahren immer noch so durchgeknallt sein wird. Der Gedanke daran, dass sie mit zunehmendem Alter ruhiger wird, hat uns lange Zeit durchhalten lassen. Unwissenheit ist doch manchmal ein Segen.

September 2017: Wir sind wieder im Rausch der Hormone: Seit der Monatsmitte haben wir eine kuschelige und etwas jammerige kleine Luzi bei uns, die den ganzen Tag Streicheleinheiten einfordert. Bis auf die üblichen Aufreger ist sie jetzt ganz lieb und geht Streit eher aus dem Weg. Die angenehme Zeit hat begonnen. Seit etwa einem Monat hat Luzi auch einen neuen Freund: Ein kastrierter Rüde aus dem Auslandstierschutz ist im Nachbardorf neu eingezogen. Wir sind ihm auf unseren Spazierrunden jetzt zweimal begegnet, und es war bei Luzi Liebe auf den ersten Blick. Schon wenn sie ihm von weitem sieht, fängt sie an zu fiepsen und fordert ihn auf ihre wilde Art zum Spielen auf. Und - oh welch Freude - er macht mit! Während der andere Rüde hier im Dorf, den sie so toll findet, Angst vor ihr hat und ihr immer auszuweichen versucht, kommt dieser junge Hund mit ihrer verrückten Art ganz gut klar. Luzi kann ihr Glück kaum fassen. So verliebt habe ich sie schon ewig nicht mehr erlebt. Und es ist für mich eine riesige Erleichterung, mal ein Haus mit Hund zu haben, an dem wir ohne großes Gezeter vorbeikommen. Denn die anderen Hunde hier stehen mit einer einzigen Ausnahme alle auf ihrer persönlichen Hass-Liste.

 

Oktober 2017: Luzi ist kuschelig und ausgeglichen. Auf diesen Monat haben wir uns schon lange gefreut und wir genießen es, mal einen halbwegs normalen Hund zu haben. Mehr Probleme macht uns aktuell eine andere Hündin hier im Dorf, die für ihre zierliche Besitzerin viel zu groß und stark ist. Sie hat inzwischen gelernt, dass sie der Frau die Leine einfach aus der Hand reißen kann, und das tut sie leider auch, um sich zähnefletschend auf Luzi zu stürzen. Wäre diese Frau körperlich in der Lage, ihren Hund festzuhalten, gäbe es kein Problem, weil wir uns immer angeleint begegnen, aber so ist das jedes Mal nervenaufreibend für uns und für Luzi. Ich finde es absolut unbegreiflich, warum man sich einen Hund anschafft, dem man körperlich einfach nicht gewachsen ist. Zumal diese Hündin kein Welpe mehr war, als sie in der Familie einzog. Es war schon klar, dass es sich um einen sehr großen und starken Hund handelt. - Ansonsten machen Luzi die Oktoberstürme zu schaffen. Vor dem Wind hat sie keine Angst, aber davor, dass er im Haus die Fenster und Türen knallen lässt. Deshalb versteckt sie sich bei Sturm immer im Garten und will einfach nicht mehr ins Haus kommen. Wir müssen all unsere Überredungskünste aufwenden, um sie reinzuholen. Naja, solange es nicht zu kalt ist und nicht regnet, kann sie auch ein paar Stunden draußen bleiben, wenn sie das gerne möchte. Bisher ist der Herbst sehr mild.

November 2017: Auch in diesem Monat ist Luzi eine angenehme Begleitung. Ich kann sie meist frei laufen lassen, weil sie keinen Wildspuren hinterhergeht und aufmerksam auf mich achtet. Sie ist jetzt nach der Läufigkeit auch immer ungewöhnlich verfressen und ist mit Leckerlis besser zu überzeugen, als sonst. Alles in allem ist es eine entspannte Zeit mit ihr. Meinetwegen könnte es immer so weitergehen. Sie verliert auch aktuell fast keine Haare, und durch ihr anspruchsloses Fell bringt sie trotz des ekligen Matschmetters nicht allzu viel Dreck mit nach Hause. So macht das Spaß.

 

Dezember 2017: So langsam klingt die ruhige Phase aus. Luzi ist wieder impulsiver und mehr auf der Suche nach "Action". Sie rennt sozusagen wieder mit hochgekrempelten Ärmeln durch die Gegend. Sehr angenehm finde ich es, dass ihr Interesse an Rehen nachgelassen hat. Wenn sie Rehe riecht oder sie ruhig auf der Wiese stehen sieht, dann hat sie nicht mehr das Bedürfnis, da hinzurennen und sie aufzuscheuchen. Nur wenn die Rehe laufen, dann überwiegt doch noch der Reiz, und sie rennt hinterher. Natürlich, wie immer schon, nur kurz. Luzi hat es nie darauf angelegt, Wildtiere zu fangen. Sie hat nur Spaß daran, sie ein Stück weit zu treiben (ganz der Hütehund eben), aber nach ein paar hundert Metern verliert sie das Interesse und dreht wieder um. Trotzdem sehen die Jäger auch dieses Verhalten nicht gerne und Luzi begibt sich natürlich jedes Mal in Gefahr, erschossen zu werden. Daher ist bei unübersichtlichem Wetter oder wenn viele Rehe auf den Wiesen unterwegs sind, auch immer noch die Schleppleine unser bester Freund. Freilauf ist für Luzi aber immer häufiger möglich, und das ist schon sehr positive Entwicklung.

 

Januar 2018: Wie immer ist der Januar recht anstrengend. Zu Hause ist Luzi lieb und kuschelig, aber draußen ist sie absolut auf Krawall gebürstet. Sie ist sozusagen mitten in ihrer "hormonellen Arschlochphase", anders kann man es wohl kaum nennen. Es reichen kleine Auslöser, um sie zum Ausflippen zu bringen. Witzig ist dabei allerdings immer zu beobachten, wie sie blitzschnell umschaltet von abgrundtiefem Hass auf emotionsüberschießende Liebe, je nachdem, wer uns entgegenkommt. Treffen wir direkt nach einer heftigen Begegnung mit einem Hund, den sie in ihrem Revier nicht haben will, auf einen ihrer beiden Lieblingsrüden, dann geht sie direkt von hasserfülltem Bellen in verliebtes Fiepen über. Sie weiß ganz genau, wen sie da vor sich hat und wer welche Behandlung verdient. Man kann wirklich nicht behaupten, dass sie alle verprügeln wollte. Auch wenn es unter 100 Hunden nur zwei sind, die sie mag. Diese zwei werden zumindest abgöttisch von ihr verehrt.

Februar 2018: Anfang Februar hatte Luzi eine Haarfollikelentzündung an den Tasthaaren unter dem linken Auge und hat sich dort komplett die Haut aufgekratzt. Da die Salbe allein nicht half und wir sie vom Kratzen abhalten mussten, bekam sie nun zum ersten Mal in ihrem Leben einen Kragen verpasst. Was für ein traumatisches Erlebnis! Drama pur! Am kompletten ersten Tag saß Luzi völlig verkrampft stundenlang da und hat sich nicht bewegt. Nichts ging mehr. Sie sah aus, als wäre sie in einer Zwangsjacke. Ich machte mir große Sorgen, als ich sie kurz mit dem Kragen alleine lassen musste. Sie sah aus, als hätte sie Selbstmordgedanken.

In der ersten Nacht mit Kragen war dann aber die Müdigkeit wohl doch zu groß. Nachdem sie frustriert festgestellt hatte, dass sie mit dem Kragen nicht in ihre Hundebox gehen kann, hat sie dann doch irgendwann gemerkt, dass es möglich ist, sich trotz Kragen auf die Decken neben meinem Bett zu legen und zu schlafen. Und am nächsten Morgen hat sie gelernt, dass man sogar pinkeln kann, wenn man den Kragen trägt. Nachdem sie diese Erkenntnisse gewonnen hatte, ging es bergauf, und sie bewegte sich immer freier mit dem komischen Ding am Hals. So frei, dass sie nach ein paar Tagen mit Wucht gegen Türrahmen, unsere Beine, Wände und die Kindergitter im Haus rannte und der Kragen nach einer Woche Tragen inzwischen ziemlich lädiert ist. Mitte Februar war dann die Wunde gut verheilt, und Luzi kann sich wieder ohne Einschränkungen austoben.

 

März 2018: Anfang März kam ich mir auf Spaziergängen mit Luzi vor, als wäre ich mit einem auf Krawall gebürsteten Teenager unterwegs. Sie war ständig auf der Suche nach "Opfern", also Hunden oder Katzen, und stellte Ihre Ohren komplett auf Durchzug. Dementsprechend war nun auch Schluss mit Freilauf und unsere 15-Meter-Leine kam wieder zum Einsatz. Mit der beginnenden Läufigkeit mischten sich dann schon die ersten netten Tage dazwischen, und Ende März war die hormonelle Nerv-Phase endgültig überstanden. Aus Mr. Hyde war wieder Dr. Jekyll geworden. Jetzt haben wir es wieder für ein paar Monate geschafft.

April 2018: Im April ist Luzi gewohnt lieb und möchte den ganzen Tag gekuschelt werden. Leider ist uns das nicht mehr so wie früher möglich, weil die Hunde seit Luzis letzter und bisher heftigster Attacke auf Peppi Anfang vor einem halben Jahr getrennt leben. Jeder hat seinen eigenen Bereich im Haus. Das heißt aber auch, dass ich nicht immer verfügbar bin, ich kann mich schließlich nicht aufteilen. Für Luzi ist das nicht besonders schön. Aber Peppis Sicherheit geht nunmal vor, da gibt es nichts zu Diskutieren. Die inzwischen 14-jährige Peppi soll sich in ihrem Zuhause ohne Angst frei bewegen dürfen, trotz ihrer altersbedingten Blindheit und Taubheit. 

 

Mai 2018: Ein warmer, entspannter Monat. Die Wärme macht Luzi etwas träge, aber sie liebt die Sonne und ist gern draußen. Da momentan viele Jungtiere unterwegs sind, bin ich weiterhin sehr vorsichtig mit Freilauf und lasse Luzi viel an der langen Leine laufen. Ich möchte kein kleines Kaninchen auf dem Gewissen haben. Insgesamt ist Luzi aber für ihre Verhältnisse sehr ausgeglichen und arbeitet gut mit. 

 

Juni 2018: Mit Ausnahme der Kieler Woche (wie könnte es auch anders sein?) ist auch der Juni in diesem Jahr warm und trocken. Nicht gut für Landwirte und Wildtiere, aber wir genießen diesen langen Sommer, der so anders ist als im letzten Jahr. Luzi ist recht entspannt, und obwohl Ende Juni eigentlich ihre verrückte Zeit wieder anfängt, hält es sich diesmal in Grenzen. Wir treffen aber auch selten Hunde oder Katzen auf den Spaziergängen, das beruhigt ihre allgemeine Gemütslage sehr. Dafür sorgt unsere alte Peppi mit ihren inzwischen 14 Jahren und 4 Monaten für Stress. Sie wird immer mehr zum Pflegefall, und es ist schon ziemlich belastend, wie sie stundenlang unruhig hechelnd durch die Gegend tigert, an die Wände stößt, umdreht, dabei hinfällt, sich wieder aufrappelt, weiter herumwandert, bis sie an die nächste Wand stößt ... Fressen mag sie nur wenig, sie wirkt oft gestresst und unzufrieden, aber wir können sie nicht fragen, was mit ihr los ist. Vielleicht machen ihr ihre Herzprobleme zu schaffen, vielleicht auch die Bauchspeicheldrüse oder die Nieren ... es gibt kaum ein Organ, das bei ihr noch ohne medikamentöse Unterstützung funktioniert. Freude zeigt sie kaum noch, auch das belastet uns sehr. Aber sie will noch täglich Gassi gehen und Leckerlis suchen, und solange der eiserne Wille zu diesen Aktivitäten noch da ist, ist da ja auch noch eine gewisse Lebensfreude, denke ich. Dennoch: Es ist schwer, vor allem an Arbeitstagen, wenn man immer den Zeitdruck im Nacken hat. Ich versuche, Luzi trotzdem so viel Zuwendung wie möglich zu geben. Wir stehen diese Zeit schon irgendwie durch.

Juli 2018: Na bitte, wer sagt's denn! Es brauchte nur zwei heftige Hundebegegnungen und ein wegrennendes Reh, und schon ist Luzi wieder ganz das Monster, das wir im Juli gewohnt sind. Sie strapaziert wie gehabt unser Trommelfell und unser Nervenkostüm und führt sich auf, als hätte sie einen Schwarm Hummeln im Po. Also kein Grund zur Sorge, unser Hund ist noch genauso verrückt wie immer. Dabei wird Luzi diesen Monat nun schon 10 Jahre alt. Aber das glaubt uns eh keiner. Von Seniorenalter ist zumindest noch keine Spur zu erkennen. Sie kommt in dieser Hinsicht ganz nach ihrem Papa Rufus, der inzwischen 16 Jahre alt und immer noch topfit ist. Nur charakterlich hat sie leider kaum etwas von ihm abbekommen, da ist sie ganz die Mama. Also Luzilein, dann mal auf die nächsten 10 Jahre, die schaffst du doch auch noch mit links!

 

August 2018: Luzi beginnt mit ihrem halbjährlichen Fellwechsel, was bedeutet, dass sie überall massenweise Haare verliert. Das ist für uns zwar nervig, aber auch insofern beruhigend, als mit ihrem Stoffwechsel offenbar weiterhin alles in Ordnung ist. In ihrem Alter muss man ja schon darauf achten, dass da alles rund läuft und sich nicht irgendwelche Unregelmäßigkeiten einschleichen. Ansonsten ist der Monat relativ entspannt und wir genießen einen ausgiebigen gemeinsamen Spaziergang mit Luzis Freund Joker, einem der wenigen Hunde, die sie gern hat. Es ist doch immer wieder spannend zu sehen, wie tolerant sie bei Hunden, die sie mag, sein kann. Im krassen Gegensatz dazu stehen ihre Ausraster bei Begegnungen mit den Hunden, die sie nicht leiden kann oder die ihr in ihrem Revier begegnen. Fremde Hündinnen vor unserer Haustür dürfen mit keiner Gnade rechnen, die sind in ihren Augen schlicht in der verbotenen Zone unterwegs und sollten das auch merken.

September 2018: Dieser Monat steht mal wieder im Zeichen der Hormone. Anfang September hat Luzi PMS, ist aufgekratzt und sucht Streit. Zur Monatsmitte wandelt sich ihre Stimmung dann mit der beginnenden Läufigkeit in weinerlich, kuschelbedürftig und unzufrieden bis hysterisch. Ach Luzilein, ich versteh dich gut. Die Hormone können einem ganz schön zusetzen. Aber keine Sorge, bald ist es vorbei und alles normalisiert sich wieder. Das Foto mit ihrem geliebten Ball stammt übrigens noch aus dem Juli. Inzwischen hat sie die Schnur abgekaut, aber der Ball ist trotzdem weiter ihr täglicher treuer Begleiter.

 

Oktober 2018: Dieser Monat brachte eine einschneidende, traurige Veränderung mit sich: Wir mussten unsere liebe kleine Peppi auf ihre letzte Reise schicken. Zusammen mit Luzi haben wir noch lange bei ihr gesessen und uns verabschiedet, bevor sie für die Einäscherung abgeholt wurde. Dann haben wir die Kindergitter abgebaut, die unser Haus ein ganzes Jahr lang in zwei Hälften teilten, um die blinde Peppi vor Luzis Attacken zu schützen. Nun kann Luzi sich endlich wieder frei in allen Zimmern bewegen. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie jetzt Einzelhund. Ich glaube, davon hat sie ihr ganzes Leben lang geträumt: Endlich hat sie all unsere Aufmerksamkeit und muss nichts und niemanden mehr mit einem anderen Hund teilen. Sie kann wieder jeden Abend zu uns zum Kuscheln auf die Couch kommen und muss sich nie mehr hinten anstellen, wenn es ums Spielen oder Füttern geht. Endlich Prinzessin!

 

November 2018: Luzi war schon immer ein Jammerlappen. Alles, was passiert oder, noch schlimmer, was nicht passiert, wird mit Gejammer kommentiert. Vor allem wenn ihr etwas nicht schnell genug geht, hört das Gemecker überhaupt nicht mehr auf. Zum Beispiel wenn ich vormittags mehr zu tun habe und wir nicht zu ihrer Wunsch-Uhrzeit zum Spaziergang aufbrechen. Oder wenn einer von uns unterwegs ist und nicht schnell genug (also am besten sofort) wieder nach Hause kommt. Oder wenn wir abends nicht früh genug schlafen gehen. Oder wenn ich mich für die Arbeit fertigmache und ihr nicht schnell genug ihren Abschiedskeks gebe. Oder ... die Liste ist beliebig erweiterbar. Es gibt für Madame eigentlich den gesamten Tag über Anlässe zum Jammern. Am schlimmsten ist es, wenn sie etwas Tolles erwartet, z.B. wenn wir im Auto zu einem schönen Spazierweg fahren. Dann steigert sie sich dermaßen in ihr Nicht-schnell-genug-Gejammer hinein, dass sie hinten im Auto richtig hysterisch wird. Und irgendwie haben wir den Eindruck, dass sich das ständige lautstarke Winseln und Seufzen jetzt, wo Luzi unsere Aufmerksamkeit nicht mehr mit Peppi teilen muss, noch verstärkt. Wir müssen höllisch aufpassen, nicht immer auf sie einzugehen, damit sie sich nicht noch darin bestärkt fühlt. Aber das ist verdammt schwer, weil sie uns mit dieser ewigen Geräuschkulisse fürchterlich auf die Nerven geht.

Dezember 2018: Kurz vor Weihnachten erleben wir eine Premiere: Luzi ist krank. Sie hat sich eine Blasenentzündung eingefangen und muss zum ersten Mal in ihrem Leben Antibiotika nehmen. Das gab es noch nie. Zehn Jahre lang hatte sie eine unverwüstliche Gesundheit. Es ist schon seltsam, dass ihre erste Krankheit ausgerechnet jetzt kommt, kurz nachdem Peppi uns verlassen hat und ich mir um meinen kleinen Pflegefall keine Sorgen mehr machen muss. Es kommt mir fast so vor, als hätten die Hunde sich abgesprochen, um mich nicht zu sehr zu belasten. Ich würde es den beiden fast zutrauen.

 

Januar 2019: Der Januar ist gewohnt anstrengend. Gegen Mitte des Monats verzogen sich auch noch die letzten besänftigenden weiblichen Hormone, und seitdem sind die Spaziergänge mit Luzi wieder laut und heftig. Sobald wir aus der Tür treten, scheint sie nach anderen Hunden oder Katzen Ausschau zu halten, die sie verprügeln könnte. War kurz vor uns ein Hund unterwegs und sie erschnüffelt dessen Spur, dann zerrt sie wie eine Irre an der Leine. Entspannte Spaziergänge gehen anders. Jetzt heißt es wieder Durchhalten bis Mitte März, wenn sich die weiblichen Hormone erneut regen und die nächste Läufigkeit uns eine Pause zum Durchatmen beschert. 

 

Februar 2019: Dieser Monat entwickelt sich zunehmend zur Hölle; Luzifer macht ihrem Namen alle Ehre. Zum Monatsende hin sind es nur noch ein bis zwei Wochen bis zur nächsten Läufigkeit, und eine andere Hündin im Dorf scheint ebenfalls läufig zu sein. Wenn sie diese nur riecht, kann Luzi sich schon kaum beherrschen und fängt an zu bellen und in die Leine zu springen. Und wenn sie sie am Horizont auftauchen sieht, ist es komplett vorbei mit der Impulskontrolle, Luzi dreht total durch und ist kaum noch zu bändigen. Es ist der absolute Wahnsinn. Ich hoffe, dass sich bald die anstehende Hormonveränderung einstellt und Luzi wieder kontrollierbarer wird. So wie es momentan ist, halte ich das nicht lange durch. Zu Hause geht es mit ihr dagegen wie immer recht gut, sie ist im Haus für ihre Verhältnisse immer relativ entspannt.

März 2019: Nach einer unfassbar anstrengenden ersten Woche, in der ich von Luzis Tobsuchtsanfällen so fertig war, dass ich einen Tag mit dem Gassigehen aussetzen musste, begann endlich die ersehnte Läufigkeit. Mit dem Hormonwechsel ist Luzi auf einmal ein komplett anderer Hund, als hätte sie jemand ausgetauscht. Dieser Wechsel ist jedes Mal aufs Neue verblüffend. Sie ist wieder lieb, orientiert sich an mir und geht brav an der Leine, ohne sich wie eine Irre aufzuführen. Wir haben die verrückte Zeit mal wieder überstanden. Inzwischen beginnt sich auch Luzis Alter bemerkbar zu machen, zumindest körperlich. Ihr Immunsystem ist nicht mehr das Alte. Mitte März hat sie schon wieder eine Infektion. Ich versuche in Absprache mit unserem Tierarzt durch B-Vitamine und einen pflanzlichen Futterzusatz zur Entgiftung ihr Immunsystem wieder zu stärken. Gleichzeitig werden Luzis Rückenverspannungen, unter denen sie seit ca. einem Jahr leidet, stärker. Vor allem nachts im kühlen Schlafzimmer. Daher trägt sie nachts jetzt immer einen schicken Strickpulli, der ihren Rücken warm hält. Sie ist eben doch keine vier Jahre mehr alt, auch wenn sie selbst das bestimmt nicht so empfindet.

 

April 2019: Ein schöner, entspannter Monat. Luzi ist gemäßigt und verhält sich im Großen und Ganzen wie ein völlig normaler Hund. Beim Spaziergang wartet sie auf mich, geht von sich aus bei Fuß, um zwischendurch ein Leckerli abzustauben und zerrt nicht an der Leine. Kaum zu glauben, wie verrückt sie noch vor wenigen Wochen war. So macht es Spaß mit ihr, das lässt sich aushalten. Wenn sie doch immer so wäre. Wir genießen die entspannte Zeit. Wahnsinn, wie die Hormone einen Hund verändern können.

Mai 2019: In diesem Monat gab es bei uns eine Familienfeier. Nichts für unseren vierbeinigen Schreihals, so eine Veranstaltung mit vielen Menschen, aber leider auch zu weit weg, um sie allein zu Hause zu lassen. Also musste Luzi in der Wohnung meiner Eltern ein paar Stunden alleine bleiben. Im Auto hätte sie sich wohler gefühlt, aber darin war es zu warm. Oh je, ich befürchtete das Schlimmste. In ihrer gewohnten Umgebung macht ihr das Alleinsein nichts aus, aber mit Veränderungen kommt unsere kleine Autistin gar nicht zurecht. Dann bekommt sie Stress, und wenn sie Stress hat, schreit sie das hemmungslos in die Welt hinaus. Ich habe also ihren Schnuller-Ball (das Herumkauen auf dem Ball wirkt Wunder gegen Stress) eingepackt und einen Zettel mit meiner Telefonnummer für die Nachbarn an die Tür gehängt. Es ging dann so weit gut, keiner rief mich an, und ich musste nicht vorzeitig von der Feier verschwinden. Als wir Luzi nach ein paar Stunden befreiten, war sie aber natürlich völlig aufgelöst und hat lange gebraucht, um sich wieder zu beruhigen. So etwas geht bei ihr wirklich nur im Notfall, wenn es keine andere Lösung gibt. Normalerweise tun wir ihr so etwas nicht an.

 

Juni 2019: Diesen Monat jagt ein Gewitter das nächste. Es ist über Tage hinweg stundenlang am Donnern, Blitzen, Regnen und Hageln. Ich muss gestehen, dass ich richtig froh bin, dass meine kleine Peppi das nicht mehr miterleben muss. Sie hatte immer so furchtbare Angst vor Gewittern. Ihre Bauchspeicheldrüsenentzündung hat sie im Sommer 2014 auch nach so einer tagelangen Gewitterphase entwickelt, ich bin mir sicher, dass der Stress einen großen Teil zu dieser schlimmen Krankheit beigetragen hat. Im Kieler Tierheim hat man momentan auch nur eine kleine Auswahl an Hunden, die überhaupt spazieren gehen wollen. Viele sind durch die Dauergewitter so gestresst, dass sie ihr Körbchen kaum verlassen wollen. Ich bin wirklich heilfroh, dass Luzi überhaupt nicht geräuschempfindlich ist. Klar schaut sie mal skeptisch, wenn draußen die Natur am Toben ist. Aber von Angst keine Spur und ich muss mir auch keine Sorgen machen, wenn ein Gewitter aufzieht, während sie allein zu Hause ist. Das ist schon sehr beruhigend.

Juli 2019: Nachdem wir wegen Peppis fortschreitender Altersproblemchen vier Jahre lang nicht weggefahren waren, haben wir in diesem Jahr eine Woche Urlaub in den Bergen gemacht. Luzi hat dort ihren 11. Geburtstag gefeiert. Da sie immer noch sehr heftig auf Veränderungen reagiert und zu hysterischen Anfällen neigt, hatte ich im Vorfeld schon eine stressige Woche erwartet. Dafür lief es erstaunlich gut. Natürlich hat Luzi es sich nicht nehmen lassen, trotz der großen Hitze täglich lautstark zu verkünden, dass wir jetzt unsere Hütte verlassen, damit das ja keiner der Nachbarn verpasst. Aber sie hat doch alles sehr tapfer mitgemacht, ist sogar mit uns in einer Gondelbahn auf über 1800 Meter Höhe gefahren und war in den Bergen gewohnt flink und trittsicher unterwegs. Von ihrem Alter ist nichts zu merken, sie läuft noch genauso ausdauernd wie vor zehn Jahren und kommt auch mit der momentanen Hitze erstaunlich gut zurecht. Wieder zu Hause zu sein hat sie aber doch unübersehbar glücklich gemacht. Es ist eben so, vor allem für einen Hund, der keine Veränderungen mag: There's no place like home.

 

August und September 2019: Seit Anfang August kommt es immer wieder vor, dass Luzi aus heiterem Himmel plötzlich aufschreit. Manchmal humpelt sie danach, manchmal atmet sie flach und kneift die Augen zusammen, manchmal ist auch rasch wieder alles gut. Das passiert in den unterschiedlichsten Situationen, beim Laufen, beim Liegen, beim Spielen, beim Fressen ... Wir lassen sie im Laufe des Monats komplett durchchecken, inklusive Blut- und Kotuntersuchungen und Röntgenaufnahmen des ganzen Körpers. Ich mache mir große Sorgen, ob es womöglich etwas Schlimmes ist, man denkt ja bei so etwas gleich an einen Tumor. Bei den Untersuchungen wird aber nichts Dramatisches gefunden. Die Organe sind in Ordnung, Zähne und Ohren unauffällig, die Gelenke sind okay ... Das Einzige, was auffällt, sind Verknöcherungen der Bandscheiben im Bereich der Brustwirbelsäule. Genau da, wo Luzi schon seit Längerem starke Verspannungen hat. Wir hatten ihr Anfang des Jahres deswegen schon einen warmen Pullover gekauft, siehe März. Das scheint die Ursache für ihre Probleme zu sein. Ich lege ihr jetzt jeden Abend eine Wärmflasche auf den Rücken und massiere sie anschließend, das hilft. Auch lockere Bewegung tut ihr gut. Und sie trägt nun oft ihren Pullover oder zumindest einen Schal, da unsere Fußbodenheizung noch nicht läuft und es auf den Fliesen doch recht kalt werden kann. In ihre Hundebetten geht sie oft nicht von sich aus. Wir schauen jetzt, ob wir ihr mit Osteopathie noch weiter helfen können. Es wäre schön, wenn wir die Schmerzmittel wieder absetzen könnten. Ich bin kein Fan davon, ihr dauerhaft Schmerztabletten zu geben. 

Oktober 2019: Der Start in diesen Monat war furchtbar. Unser Tierarzt hatte offensichtlich übersehen, dass Luzi eine Gebärmutterentzündung ausbrütete. Sie hatte ja schon länger immer wieder Schmerzen. Auch ihre Rückenverspannungen könnten eine Begleiterscheinung von Bauchschmerzen gewesen sein. Am letzten Sonntag im September ging es ihr plötzlich so schlecht, dass wir den tierärztlichen Notdienst anriefen. Wir landeten durch Zufall in einer sehr gut ausgestatteten Praxis in Eckernförde, wo sofort Blut und Urin analysiert und ein Ultraschall gemacht wurden. Die Diagnose war erschreckend: Die Gebärmutter war so vereitert, dass sofort am nächsten Morgen operiert werden musste. Luzi bekam noch eine Infusion zur Kreislauf-Stabilisierung. Sie war überhaupt nicht mehr sie selbst. Ließ fast ohne Widerspruch alles mit sich machen und war so still, wie wir sie noch nie erlebt hatten. Wir machten uns große Sorgen. Am nächsten Tag dann die OP, die etwas länger dauerte als erwartet. Die Tierärztin meinte, es war höchste Eisenbahn. Es war schon Abszessflüssigkeit in den Bauchraum gelaufen. Ein paar Tage später wäre vielleicht nichts mehr zu machen gewesen. Nach der OP waren wir noch bei drei Nachkontrollen. Man wird dort wirklich gut betreut, und selbst am Samstag ist die Tierärztin noch mal spontan für uns in die Praxis gekommen, da die Wunde so stark nässte, dass wir uns erneut Sorgen machten. Erst acht Tage nach der OP hatten wir das Gefühl, dass Luzi langsam über den Berg ist. Das hat unsere Kleine doch ganz schön umgehauen. Zum Glück war auch die Schmerzmittelversorgung gut, und sie hat in der Praxis einen gemütlichen Anzug bekommen, der die Wunde optimal schützt. Das haben wir vor acht Jahren mit Peppi noch ganz anders erlebt, die musste damals fürchterlich leiden, und die Nachbetreuung war miserabel. Ich denke, ich werde auch in Zukunft bei allem, was über das Impfen hinausgeht, nach Eckernförde fahren, auch wenn es ein Stück weiter weg ist. Dort fühlen wir uns wirklich gut aufgehoben, und die Tierärztinnen und Helferinnen sind alle sehr lieb zu unserer verrückten "Omi". Mitte Oktober war dann Luzis Immunsystem durch fünf Wochen Antibiotika, die Entzündung und die OP so geschwächt, dass sie sich auch noch eine Ohrenentzündung einfing. Wir steuerten schon während der Behandlung der Ohren mit einer dringend nötigen Darmsanierung dagegen an, und das brachte sie wieder auf die Beine. Außerdem bekommt Luzi jetzt regelmäßig Besuch von ihrer neuen Lieblings-Osteopathin, deren Behandlungen sie sichtlich genießt. Um den 20. herum ist sie endlich wieder ganz die Alte, abenteuerlustig und verrückt, so wie wir sie kennen. Wir sind glücklich, dass sie sich so gut erholt hat.

November 2019: Während das Fell an ihrem Bauch wieder wächst, hat Luzis Körper mit der Hormonumstellung schwer zu kämpfen. Sie wurde zu Beginn der Scheinträchtigkeit kastriert; ein denkbar un-

günstiger Zeitpunkt, aber es ging nunmal nicht anders, wir konnten uns das ja nicht aussuchen. Die plötzliche Umstellung von scheinträchtig auf kastriert ist nicht leicht zu bewerkstelligen und kostet Luzi Kraft. Gegen Mitte November bemerken wir aber, dass Luzis Verhalten wieder deutlich heftiger wird. Auf den Spaziergängen zerrt sie wieder wie eine Irre an der Leine, wenn vor uns ein Hund von ihrer Hass-Liste auf dem gleichen Weg spazieren gegangen ist. Und kommt dieser Hund in ihr Blickfeld, dann kann sie sich gar nicht mehr beherrschen und fängt an zu springen und zu bellen - auch wenn der noch gut 400 Meter vor uns ist. Das sind normalerweise die typischen Anzeichen des Beginns von Luzis "Arschlochphase" zwischen den Läufigkeiten. Ich hatte immer schon befürchtet, dass sie dauerhaft in dieser Phase verbleibt, wenn sie mal kastriert werden müsste. Sollte ich damit recht behalten? Ich hoffe nicht, denn sonst kommen einige anstrengende Jahre auf uns zu ... Interessanterweise hat die Kastration noch eine andere Nebenwir-

kung, mit der ich zuvor gar nicht gerechnet hatte: Luzis Fell riecht auf einmal deutlich nach Hund. Das war bisher nie so, Luzi war immer geruchsneutral, aber plötzlich fängt sie an zu müffeln. Offenbar auch ein Nebenprodukt der Hormonumstellung.

 

Dezember 2019: Der Hundegeruch ist wieder weg, dafür fliegen auf einmal überall Luzis Haare herum. Sehr ungewöhnlich für diesen Monat, in dem sie normalerweise noch im Fell-Aufbau wäre. Aber eine Kastration verändert natürlich den kompletten Stoffwechsel. Diesen Monat hatte Luzi mit einer Augenentzündung zu kämpfen und hin und wieder Bauchweh. Ich vermute, das sind immer noch Nachwirkungen der heftigen Entzündung, der OP und der vielen Medikamente, die ihr auf den Magen geschlagen sind. Ihr Immunsystem muss sich erst erholen, und die kräftezehrende Hormonumstellung ist wahrscheinlich auch noch nicht ganz abgeschlossen. Vom Verhalten her ist Luzi weiterhin heftig, aber noch zu handeln - ich weiß, sie kann noch schlimmer sein. Von daher schauen wir mal, wie sich das weiter entwickelt.

Januar 2020: Mitte Dezember haben wir noch mal eine Blutanalyse machen lassen. Anfang September war der TSH-Wert im Schilddrüsenprofil zu hoch gewesen, die anderen Werte im Normbereich. Da damals die Entzündung im Körper war, wollte ich eine erneute Auswertung, bevor ich Luzi Schilddrüsenhormone gebe. Bei der neuen Blutanalyse Mitte Dezember bestätigten sich allerdings diese Werte, daher haben wir kurz vor Weihnachten mit einer ganz niedrigen Dosis Forthyron begonnen und diese am 10. Januar auf die Minimaldosis für Luzis Gewicht erhöht. Da sich ihr Verhalten immer noch durch die Hormonumstellung nach der Kastration verändert, ist es schwer abzugrenzen, was nun woher kommt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass drei Monate nach der Kastration die Hormonumstellung soweit abgeschlossen sei, aber das ist nicht der Fall. Eine Einschätzung ist daher nicht einfach. Ihr aktuell sehr heftiges Verhalten draußen, ihre überschießende Reaktion auf Hunde und Katzen und ihre mangelnde Impulskontrolle kommen vermutlich eher von der Kastration. Ebenso der Mitte Dezember eingetretene und immer noch andauernde Fellwechsel, denn beides begann schon bevor wir mit den Schilddrüsenhormonen angefangen haben. Es sind außerdem beides Muster, die sonst zwischen den Läufigkeiten für Luzi als normal einzuordnen sind. Durch die Schilddrüsenhormone ist sie aber auch zu Hause aufgedrehter geworden. Ständig in Erwartung von Action, oft ungeduldig und nervig. Auch das ist nichts Neues für uns, solche Phasen hatte sie früher auch schon oft. Ist es also Normalverhalten, das in den letzten Monaten durch die Schilddrüsenunterfunktion unterdrückt war und jetzt wieder durch die Tabletten hervorkommt? Oder ist es Anzeichen einer leichten Überfunktion, die durch die Tabletten verursacht wurde? Das ist wirklich schwer zu beurteilen. Einer weiteren Erhöhung der Dosis gegenüber habe ich aber ein ungutes Gefühl. Wir werden demnächst noch mal die Blutwerte checken lassen, ich mag mich auf diese Werte aber auch nicht allzu sehr verlassen. Bei Peppi war es damals so, dass sie nach einigen Jahren die Schilddrüsenhormone nicht mehr brauchte und Panik-Attacken bekam, die erst aufhörten, als wir die Hormone komplett wieder ausgeschlichen hatten. Obwohl die Blutwerte damals darauf hindeuteten, dass sie immer noch eine Unterfunktion hatte, hat sie die Tabletten dann nie wieder gebraucht. Wichtiger als die Blutwerte ist mir die Frage, ob es meinem Hund mit den Hormonen gut geht.

Die Ursache für Luzis immer mal wieder auftretendes Bauchweh haben wir inzwischen auch gefunden: Offenbar hat sie in den letzten Monaten eine Unverträglichkeit gegenüber Weizen entwickelt. Futter und Leckerlis sind getreidefrei, aber Luzis Hundekekse hatte ich bisher mit Weizenmehl und Haferflocken gebacken, und sie hatte auch ab und zu Brotkanten und Nudeln bekommen, die so im Alltag abfielen. Wir haben jetzt konsequent jedes glutenhaltige Getreide weggelassen, und siehe da, Luzis Bauch geht es viel besser. Nach den ganzen Tabletten des letzten Jahres ist ihr Magen insgesamt empfindlicher geworden. Auch rohes Gemüse verträgt sie nicht mehr so wie früher.

 

Februar 2020: Luzi geht es endlich wieder richtig gut. Wir haben am 10. Februar einen erneuten Bluttest machen lassen und nach Rücksprache mit der Tierärztin die Schilddrüsenhormone etwas reduziert. Sofort verschwand Luzis überdrehtes Verhalten, und sie konnte sich zu Hause wieder besser entspannen und war auch nachts viel ruhiger. Natürlich ist sie weiterhin sehr aktiv, neugierig, unternehmungslustig und dreht beim Anblick von Katzen und bestimmten Hunden völlig durch. Das ist aber für Luzi normal und es würde mir eher Sorgen bereiten, wenn das nicht mehr so wäre. Aber sie wirkt nicht mehr unnatürlich aufgedreht, und das ist sehr schön für uns alle.

Durch weitere Veränderungen in der Fütterungsroutine haben wir ihre vor allem nachts auftretenden Verdauungsprobleme jetzt auch gut im Griff. Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Seit Mitte Februar habe ich zum ersten Mal seit einem halben Jahr wieder das Gefühl, dass es Luzi rundum gut geht und sie sich wohl fühlt.

März 2020: Im März hat das Coronavirus Deutschland und den Rest der Welt fest im Griff. Wir leben im Ausnahmezustand. Ich bin seit Mitte März im Home Office, was Luzi sehr freut. Endlich kann sie Tag und Nacht bei mir sein, obwohl ich arbeiten muss. Das findet sie super.

Gesundheitlich geht es ihr momentan gut. Ihr Verhalten gegenüber anderen Hunden ist weiterhin sehr heftig. Das kommt durch die Kastration und wird jetzt wohl auch so bleiben. Insbesondere werden natürlich die Hunde aus unserem Dorf, die seit Jahren auf ihrer Hass-Liste stehen, von Luzi angegiftet. Die sind im Laufe der Jahre genau wie Luzi langsam älter geworden und - ganz im Gegensatz zu ihr - sehr viel ruhiger. So kommt es nun, dass ehemals erbitterte Gegner seelenruhig an uns vorbeigehen, während ich Mühe habe, die an der Leine tobende Luzi zu bändigen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sie sich vor allem darüber aufregt, dass die sich nicht mehr so aufregen wie früher ...

Dass sie in ein paar Monaten schon 12 Jahre alt wird, das glaubt mir hier keiner.

 

April 2020: Und schon wieder ist ein Monat rum. Luzi ist fit und fröhlich und schnarcht stundenlang zufrieden neben mir, während ich im Home Office am Arbeiten bin. Als es jetzt wärmer wurde, haben wir festgestellt, dass sie nicht mehr nur schnarcht und auch ab und zu hustet, sondern jetzt auch bei starkem Hecheln deutlich am Röcheln ist. Das war letzten Sommer noch nicht der Fall. Wir haben die Tierärztin gefragt und diese vermutet eine beginnende Kehlkopflähmung. Bei älteren Hunden kommt das wohl hin und wieder vor. Für eine eindeutige Diagnose müsste Luzi aber sediert werden, und dafür ist es noch nicht schlimm genug. Wir sollen erstmal nur beobachten. Zur Not kann ihr durch eine OP geholfen werden, aktuell kommt sie aber noch sehr gut damit zurecht.

Mai 2020:  Bei Luzi gibt es keine halben Sachen. Sie hasst 99 Prozent aller Hunde wie die Pest. Aber das restliche Prozent findet sie einfach nur hinreißend. Und das so sehr, dass ihre maßlose Begeisterung die Objekte ihrer Begierde meist sehr schnell in die Flucht schlägt. Der einzige Hund, mit dem Luzi (außer Peppi damals) entspannt umgehen kann, ist ihr bester Freund Joker. Bei allen anderen reagiert sie übertrieben. Entweder sie rastet völlig aus, oder sie überschüttet sie mit grenzenloser Liebe.

Bei unseren Nachbarn ist diesen Monat oft ein Golden Retriever zu Besuch, den Luzi absolut toll findet. Man hört sofort, wenn der nebenan im Garten ist, weil sie dann am Zaun steht, heftig wedelt und lautstark ihre tobenden Emotionen kundtut. Und im Gegensatz zu Hunden, die wir auf dem Spaziergang treffen, kann er mit der Gewissheit des sicheren Zauns zwischen ihnen es richtig genießen, derart angehimmelt zu werden. Es ist süß zu beobachten, wie er demonstrativ Schau läuft und alle Büsche markiert, während Luzi sich vor lauter Begeisterung auf der anderen Seite des Zauns kaum halten kann.

 

Juni 2020: Anfang des Monats habe ich - immer noch im Corona Home Office und daher mit recht viel Zeit - mir ein Fahrrad und einen passenden Hundeanhänger gekauft. Primär, um damit im Nachbardorf ein paar Lebensmittel einkaufen zu können, ohne die paar Kilometer immer mit dem Auto fahren zu müssen. Aber natürlich soll sich auch Luzi an den Hundeanhänger gewöhnen, damit sie vielleicht mal auf eine Radtour mitkommen kann. Der Anhänger lässt sich auch zum "Jogger" umbauen, sodass ein alter Hund darin spazieren gefahren werden kann. Man muss ja vorausplanen.

Luzi kennt und liebt ihre Hundeboxen, von denen wir verschiedene Modelle haben. Daher war es für mich keine Überraschung, dass sie nach Aufforderung sofort in den Anhänger kletterte. Mehr Sorgen machte mir, wie sie wohl reagiert, wenn das Ding sich plötzlich bewegt. Aber auch da verlief unser erster Test prima. Ich schob Luzi im Anhänger langsam durch den Garten und sie blieb ruhig liegen und futterte die Kekse, die ich ihr zwischendurch zusteckte. Dann können wir unsere Übungen ja bald auch mal auf die Straße verlegen. Das macht bestimmt Spaß mit ihr. - Mitte Juni haben wir bereits erste Rad-Ausflüge gemacht und Luzi hat sich zu einem wahren Anhänger-Profi entwickelt. Sie bleibt gelassen liegen, selbst wenn es mal holprig wird, und macht wunderbar mit.

Juli 2020: Diesen Monat ist unsere Kleine nun tatsächlich schon 12 Jahre alt geworden. Und immer öfter erwischen wir uns dabei, dass wir sagen, "Schau mal,wie süß". Ja, es ist endlich so weit, darauf hatten wir all die Jahre gewartet: Unser kleiner Teufel wird niedlich. Zumindest in manchen Situationen. Wenn wir draußen ihre Erzfeinde treffen, ist davon natürlich keine Spur zu bemerken. Aber zu Hause, in entspannter Umgebung, macht sich langsam bemerkbar, dass sie älter wird.

Eine leichte Schwerhörigkeit hat sich eingestellt, so dass man sich erstmalig an Luzi vorbeischleichen kann, ohne dass sie es merkt. Das ist in manchen Situationen sehr praktisch, denn sie neigt immer noch dazu, sich über alles maßlos aufzuregen und dabei sehr laut zu werden. Das lässt sich jetzt hin und wieder vermeiden.

Sie genießt es, dass ich für sechs Monate im Home Office bin, und sie geht jeden Tag pünktlich zu meinem Dienstbeginn ins Arbeitszimmer. Das ist ihr sehr wichtig, denn dann kann sie an meiner Seite ganz entspannt ihr Nachmittagsschläfchen halten. Habe ich einen Tag frei, gefällt ihr das gar nicht, das durchbricht ihre Schlafroutine. Denn wenn ich etwas anderes mache, muss sie ja zusehen, dass sie nichts Spannendes verpasst.

Mal sehen, wie Luzi als alter Hund so sein wird. Ich freue mich auf die nächsten Jahre mit ihr. 

 

August 2020: Der August war ein sehr heißer Monat mit Temperaturen, die zum Teil über 30 Grad lagen. Seit diesem Jahr macht das Luzi nun doch ganz schön zu schaffen, da sie durch ihre Atemprobleme bei Hitze mit dem Hecheln nicht nachkommt. Ich schrieb ja schon im April darüber. Letztes Jahr hat sie noch während der Hitzewelle problemlos lange Spaziergänge mitgemacht, das ging dieses Jahr nicht mehr. Abgesehen von ihren Atemschwierigkeiten ist sie aber topfit. Ich denke, sie kann durchaus noch fünf oder sechs gute Jahre haben. 

September 2020: Ein neuer Nachbar bringt diesen Monat Unruhe ins Dorf, weil seine massige Bordeauxdogge immer ohne menschliche Begleitung spazieren geht und bei mehreren unserer Nachbarn plötzlich der Küche stand. Eine Nachbarin fand auch bereits einen riesigen Hundehaufen direkt vor ihrer Haustür. Es gibt kaum jemanden, der darüber nicht verärgert ist. Wir machen uns eher Sorgen, dass wir diesen kräftigen Hund im Zweifel nicht abwehren könnten, wenn er auf Luzis Provokationen antwortet und sich auf eine Prügelei mit ihr einlässt - zumal das eine Hündin zu sein scheint. Da sie manchmal in der engen Kurve mitten auf der Straße steht, könnte sie auch einen Verkehrsunfall verursachen. Ein Anruf beim Ordnungsamt ergibt aber nur, dass erst etwas passiert sein muss, bevor jemand die Auflage erhält, einen Zaun zu ziehen, damit sein Hund nicht immer auf eigene Faust im Dorf herumspaziert. Sehr beruhigend. Wir scannen vor jedem Spaziergang aufmerksam die Umgebung und besorgen uns für alle Fälle Pfefferspray. Dabei kann der Hund nun wirklich nichts dafür, dass sein Halter sich nicht um ihn kümmert. Traurig, dass bei so unverantworlichem Handeln immer die Tiere die Leidtragenden sind.

 

Oktober 2020: Wir haben immer noch Home Office, aber zwischenzeitlich war ich für zwei Tage zum Arbeiten im Büro. Für meinen Mann eine echte Geduldsprobe. Denn Luzi ist es völlig egal, ob er bei ihr ist oder nicht - wichtig bin nur ich für sie. Sie klebt wie Kaugummi an mir, insbesondere nach der langen Home Office Zeit. Während meiner Abwesenheit ist sie permanent am Winseln und lässt sich durch nichts beruhigen oder ablenken. Wenn wir wieder häufiger ins Büro müssen, dann muss ich das noch mal ganz in Ruhe mit ihr üben. Aber die momentane Entwicklung der Corona-Zahlen deutet eher darauf hin, dass das in diesem Jahr nichts mehr werden wird.

 

November 2020: Der Nachbar scheint ein Einsehen zu haben, oder es ist dem Hund inzwischen zu kalt - jedenfalls haben wir die Dogge schon lange nicht mehr im Dorf herumstreunen sehen. Das trägt sehr zur allgemeinen Entspannung bei. Auch Katzen sind jetzt lieber drinnen im Warmen, so dass Luzi weniger Grund hat, sich auf den täglichen Spaziergängen unnötig aufzuregen. Unser Alltag ist daher momentan sehr entspannt. Luzi genießt es weiterhin, dass ich die meiste Zeit zu Hause bin. Sie möchte immer gern in den Garten, wo sie im Sommer sehr viel Zeit verbracht hat, aber dort ist es nach kurzer Zeit zu kalt. Das sorgt ein wenig für Frustration bei ihr. Ich versuche, sie stattdessen mit Suchspielen geistig auszulasten, was ihr immer sehr viel Spaß bringt. Die Nase funktioniert auch noch wunderbar und sie findet versteckte Spielzeuge auch in den entlegensten Ecken des Hauses.

Dezember 2020: In diesem Monat ist Luzi noch heftiger drauf als sonst. Besonders auf den Spaziergängen wirkt sie irgendwie "drüber". Sie regt sich selbst über die Markierungen anderer Hunde dermaßen auf, dass sie den ganzen Spaziergang über aufgeregt keucht und vor lauter Stress Durchfall bekommt. Sie muss die Hunde dafür noch nicht einmal sehen. Also normal ist das nicht. Ich habe den Verdacht, dass die Schilddrüsenhormone zu hoch dosiert sind. Eine Blutanalyse bestätigt, dass der T4-Wert zwar innerhalb des Normbereichs ist, aber recht weit oben. Bei Luzi, die enorm sensibel auf hormonelle Veränderungen reagiert, ist das schon zu viel. Wir reduzieren die Hormone etwas und hoffen auf Besserung. Möglicherweise braucht sie die auch gar nicht mehr, sie bekommt bereits eine sehr geringe Dosis. Als sie auf die Schilddrüsenhormone eingestellt wurde, hat ihr Körper noch unter den Auswirkungen der Gebärmutter-entzündung gelitten. Vielleicht hat das die Blutergebnisse verfälscht. Inzwischen hat sie sich vollständig von der Entzündung erholt und wir haben eine neue Situation.

Ansonsten ist sie (abgesehen von ihren Atemproblemen) fit wie ein Turnschuh, will viel rennen und spielen und verhält sich alles andere als ihrem Alter entsprechend. Von Oma weit und breit keine Spur.

 

Januar 2021: Nach Rücksprache mit der Tierärztin habe ich bis Mitte Januar die Schilddrüsenhormone komplett ausgeschlichen. Wir wollen nach einer Weile dann noch mal die Blutwerte neu beurteilen. Was sich mit der Reduzierung sofort bemerkbar machte, war, dass Luzis sporadische Durchfälle, mit denen sie seit September zu kämpfen hatte, weniger wurden und nach Absetzen der Tabletten komplett aufhörten. Ich hatte immer gedacht, ihr empfindlich gewordener Magen sei dafür verantwortlich, aber offenbar lag es an den Schilddrüsenhormonen, die den Kreislauf unnatürlich gepusht hatten. Noch ein Indiz dafür, dass sie die Hormone nicht mehr braucht. 

Ihre heftige Art hat sich leider nicht verändert. Weiterhin ist jeder Spaziergang in erster Linie ein Ausschauhalten nach anderen Hunden. Wenn sie auch nur die Spur eines Hundes von ihrer persönlichen Hass-Liste riecht, regt sie sich schon über alle Maßen auf. Sobald der Hund in Sicht kommt, gibt es dann kein Halten mehr, und Luzi rastet vollkommen aus. Möglicherweise hat die Hormonumstellung nach der Kastration jetzt noch einmal einen Schub gemacht. Luzi verhält sich momentan so wie früher in der für uns alle immer anstrengenden Phase zwischen zwei Läufigkeiten. Ich hatte immer befürchtet, dass sie nach einer Kastration dauerhaft in dieser "Arschlochphase" verharrt, und es sieht aktuell so aus, als sollte ich wirklich recht behalten. Dass sich auch über ein Jahr nach der Kastration noch eine Veränderung im Hormonhaushalt und damit im Verhalten ergibt, ist nicht ungewöhnlich. Mir haben mehrere Rüdenbesitzer schon berichtet, dass ihr Hund ein Jahr nach der Kastration noch einmal auffällig unsicherer geworden ist, vor allem bei Hundebegegnungen.

Derweil wird Luzi im Januar schon 12,5 Jahre alt. Wer es nicht weiß, glaubt es nicht. Erst neulich wurde sie von einer Frau, die erstaunt Luzis aufbrausendes Verhalten beobachtete, als "Jungspund" belächelt. Wenn die wüsste, wie sehr sie mit dieser Vermutung daneben lag ...

Februar 2021: Bis zur Monatsmitte herrscht bittere Kälte mit einem eisigen,stürmischen Ostwind und viel Schnee. Leider holt sich Luzi in dieser Zeit eine Blasenentzündung und in der Folge auch Harngries. Die Behandlung nimmt mehrere Wochen in Anspruch und Luzi ist eine Weile deutlich angeschlagen. Ab Mitte Februar schlägt das Wetter plötzlich innerhalb nur einer Woche in Frühling um. Da zeigen sich dann auch wieder schnell Luzis Atemprobleme, die ihr bei Wärme besonders zu schaffen machen. Der Checkup im Dezember hatte ergeben, dass Herz und Lunge in Ordnung sind. Ende März ist ein weiterer großer Untersuchungstermin geplant, um die Ursache weiter abzuklären.

 

März 2021: Leider geht es Luzi auch Mitte März noch nicht wieder gut. Nachdem das erste Antibiotikum nicht angeschlagen hatte, haben wir auf ein anderes umgestellt, aber auch damit ist sie weiterhin ungewöhnlich schwach und appetitlos. Es scheint wohl doch mehr dahinterzustecken als eine einfache Blasenentzündung. Wir müssen weitere Untersuchungsergebnisse abwarten. Schmerzen scheint sie zum Glück keine zu haben, und an sich hat sie auch gute Laune. Nur schläft sie unheimlich viel und hat wenig Energie. Wir werden sehen. - Update Ende März: Es hat sich leider ein schlimmer Verdacht ergeben, der durch eine Biopsie und einen Ultraschall bestätigt wurde: Es ist Krebs.

Der April ist ganz von Luzis Krankheit geprägt. Weitgehend stabile Phasen wechseln sich mit starken Schmerzschüben und einer danach jeweils folgenden rasanten Verschlechterung von Luzis Zustand ab. Sie wird immer schwächer.

Am 26. April haben wir unsere kleine Prinzessin auf ihre letzte Reise geschickt. Mach's gut, kleine Maus. Es ist so unfassbar still hier ohne dich.

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